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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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Staub machen.«
    Philips Humor wurde im Laufe der Jahre beißender.
    »Und hat sie sich aus dem Staub gemacht?«, fragte er lächelnd.
    »Was hätte sie sonst tun sollen?«
    Inzwischen kamen die Weihnachtsferien heran. Mrs.   Carey war den ganzen November hindurch krank gewesen, und der Doktor riet ihr, an Weihnachten mit dem Vikar für ein paar Wochen nach Cornwall zu gehen, um wieder zu Kräften zu kommen. Das führte dazu, dass Philip keinen Ort hatte, wo er hinfahren konnte, und den Weihnachtstag allein in seiner Wohnung verbrachte.
    Unter Haywards Einfluss hatte er sich dazu bekehrt, die Feierlichkeiten an den Festtagen als vulgär und barbarisch anzusehen. Er beschloss, keine Notiz von Weihnachten zu nehmen. Aber als der Tag herankam, war ihm inmitten der allgemeinen Fröhlichkeit doch seltsam zumute. Seine Vermieterin verbrachte den Tag mit ihrem Mann bei ihrer verheirateten Tochter, und um ihnen keine Umstände zu machen, hatte er angekündigt, dass er auswärts essen würde. Er ging gegen Mittag in die Stadt und aß bei Gatti ein Stück Truthahn und etwas Plumpudding; und da er nichts anderes zu tun hatte, ging er nachher in die Westminster Abbey zum Nachmittagsgottesdienst. Die Straßen waren nahezu leer, und die Menschen, die vorübereilten, machten einen beschäftigten Eindruck. Sie schlenderten nicht, sondern gingen mit einem bestimmten Ziel, und fast keiner war allein. Philip schienen sie alle glücklich. Er fühlte sich so einsam wie noch nie in seinem Leben. Es hatte die Absicht gehabt, den Tag irgendwie in den Straßen totzuschlagen und dann in einem Restaurant zu essen; aber der Anblick von fröhlichen Menschen, die plauderten, lachten und sich vergnügten, war ihm unerträglich; so kehrte er nach Waterloo zurück, kaufte unterwegs in der Westminster Bridge Road etwas Schinken und Pasteten und ging zurück nach Barnes. Er nahm sein Abendessen in seinem einsamen kleinen Zimmer ein und verbrachte den Abend mit einem Buch. Seine Niedergeschlagenheit war nahezu unerträglich.
    Als er wieder ins Büro zurückkam, schmerzte es ihn sehr, Watson von den Feiertagen erzählen zu hören. Ein paar lustige Mädchen waren zu Besuch da gewesen, und nach dem Dinner hatte man den Tisch beiseitegeschoben und getanzt:
    »Ich bin erst um drei Uhr ins Bett gekommen, und wie, weiß ich bis heute nicht. Teufel, hatte ich einen sitzen!«
    Endlich fasste sich Philip ein Herz und fragte:
    »Wie stellt man es an, in London Leute kennenzulernen?«
    Watson schaute ihn überrascht, belustigt und mit leiser Geringschätzung an.
    »Das kann ich Ihnen wahrhaftig nicht sagen. Man kennt sie einfach. Wenn man auf Bälle geht, lernt man mehr kennen, als einem lieb ist.«
    Philip hasste Watson, und doch hätte er alles darum gegeben, mit ihm zu tauschen. Das alte Gefühl, das er in der Schule gekannt hatte, kehrte wieder zurück; er versuchte, sich in die Haut des andern zu versetzen und sich auszumalen, wie das Leben aussehen würde, wenn er Watson wäre.
    38
     
    Gegen Jahresende gab es viel zu tun. Philip besuchte mit einem Angestellten namens Thompson verschiedene Firmen und hatte den ganzen Tag Posten auszurufen, die der andere kontrollierte; und manchmal musste er seitenlange Zahlenreihen zusammenzählen. Er hatte nie einen guten Kopf für Zahlen gehabt und kam mit seinen Rechnungen nur langsam voran. Thompson wurde sehr böse, wenn er einen Fehler entdeckte. Er war ein langer, hagerer Mann von vierzig Jahren mit gelbem Gesicht, schwarzen Haaren und einem zausigen Schnurrbart; er hatte hohle Wangen und tiefe Furchen zu beiden Seiten der Nase. Er entwickelte eine Abneigung gegen Philip, weil dieser Geld genug besaß, auf ein Diplom hinzuarbeiten, während er mit all seiner Erfahrung und seinen Fähigkeiten keine Aussicht hatte, jemals mehr als ein Angestellter zu werden mit fünfunddreißig Shilling Lohn die Woche. Er war ein widerspenstiger Mann, der unter den Zwängen einer großen Familie stand, und nahm Philip den Hochmut übel, den er an ihm zu erkennen meinte. Er verhöhnte Philip, weil dieser eine bessere Ausbildung hatte, und er machte sich über dessen Aussprache lustig; er konnte ihm nicht verzeihen, dass er nicht ebenfalls Cockney sprach, und wenn er sich mit ihm unterhielt, sprach er jeden Buchstaben absichtlich übertrieben deutlich aus. Anfangs beschränkte er sich auf eine gewisse Barschheit und Unfreundlichkeit, als er jedoch entdeckte, dass Philip keine Begabung für kaufmännische Fächer besaß, nutzte er jede

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