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Der Menschen Hoerigkeit

Der Menschen Hoerigkeit

Titel: Der Menschen Hoerigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. Somerset Maugham
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er die näheren Einzelheiten von Philips Erziehung erfuhr, wurde sein Benehmen noch gönnerhafter.
    »Natürlich, wenn man keine Public School besucht, ist es wahrscheinlich naheliegend, so eine Schule zu besuchen, nicht wahr?«
    Philip erkundigte sich nach den andern Leuten im Büro.
    »Ach, ich kümmere mich nicht um sie«, sagte Watson. »Carter ist kein übler Mensch. Wir laden ihn manchmal zum Dinner ein. Die andern sind alle schreckliche Spießer.«
    Hierauf wandte sich Watson einer Arbeit zu, die er gerade vor sich hatte, und Philip fing an, seine Briefe zu sortieren. Nach einer Weile kam Mr. Goodworthy herein und meldete, dass Mr.   Carter eingetroffen sei. Er führte Philip in ein geräumiges Zimmer neben seinem eigenen. Ein großer Schreibtisch und ein paar tiefe Lehnstühle standen darin; ein türkischer Teppich schmückte den Boden, und an den Wänden hingen Sportbilder. Mr.   Carter saß am Schreibtisch und erhob sich, um Philip zu begrüßen. Er trug einen langen Gehrock und sah aus wie ein Militär; sein Schnurrbart war gewichst, sein rauhes Haar kurz und ordentlich geschnitten; er hielt sich aufrecht, sprach aufgeräumt und gutgelaunt und wohnte in Enfield. Er hatte ein lebhaftes Interesse für Sport und für das Wohl und Weh seines Landes. Er gehörte der Hertfordshire Yeomanry, einer freiwilligen Reitertruppe, an und war Vorstand der Konservativen Vereinigung. Als ihm ein Lokalmagnat versicherte, dass ihn niemand für einen Mann aus der City halten würde, hatte er das Gefühl, nicht umsonst gelebt zu haben. Er sprach mit Philip in einer angenehmen, lässigen Art. Mr.   Goodworthy würde sich um ihn kümmern. Watson war ein netter Mensch, ganz Gentleman, guter Sportler. Ob Philip jagte? Nein? Schade! Der Sport für Gentlemen. Er selbst hatte leider auch nicht mehr viel Gelegenheit zum Jagen, musste es seinem Sohn überlassen. Sein Sohn war in Cambridge, nette Jungen gab es dort, in ein paar Jahren würde auch sein Sohn in die Lehre kommen, das wäre schön für Philip, er würde Philip gefallen. Sportler durch und durch. Mr.   Carter hoffte, dass Philip mit seiner Arbeit gut vorankommen würde. Er sollte seine Vorlesungen nicht versäumen, sie erläuterten den Beruf, man brauchte Gentlemen dazu. Nun, Mr. Goodworthy war ja da. Wenn er irgendetwas wissen wollte, sollte er sich an Mr. Goodworthy wenden. Hatte er eine gute Handschrift? Na, Mr.   Goodworthy würde sich schon um alles kümmern.
    Philip war überwältigt von so viel Gentlemanhaftigkeit: In East Anglia wusste man, wer ein Gentleman war und wer nicht, aber die Gentlemen sprachen nicht darüber.
    37
     
    Anfangs fesselte das Neue seiner Arbeit Philips Interesse; Mr.   Carter diktierte ihm Briefe, und er musste Reinschriften von Rechenschaftsberichten anfertigen.
    Mr.   Carter leitete das Büro als ein Gentleman; mit Maschinenschreiben wollte er nichts zu tun haben, und Steno betrachtete er mit Missfallen; der Bürodiener beherrschte Kurzschrift, aber nur Mr.   Goodworthy machte von dieser Fähigkeit Gebrauch. Bisweilen wurde Philip mit einem der erfahrenen Angestellten ausgeschickt, um die Rechnungen irgendeiner Firma zu überprüfen: Er erfuhr, welche von den Kunden mit Respekt zu behandeln waren und welche in geringerem Ansehen standen. Hie und da musste er lange Reihen von Zahlen zusammenzählen. Er hörte Vorlesungen für seine erste Prüfung. Mr. Goodworthy erklärte immer wieder, dass die Arbeit anfangs langweilig scheine, dass er sich aber an sie gewöhnen würde. Philip verließ das Büro um sechs und ging über den Fluss nach Waterloo. Dort erwartete ihn sein Abendessen, und dann setzte er sich mit einem Buch hin und las bis zum Schlafengehen. An Samstagnachmittagen ging er in die National Gallery. Hayward hatte ihm einen aus den Schriften von Ruskin zusammengestellten Führer empfohlen, und mit diesem in der Hand schritt er von Saal zu Saal; er las aufmerksam, was der Kritiker über jedes Bild gesagt hatte, und bemühte sich gewissenhaft, die gleichen Dinge darin zu sehen. Sehr schwer fiel es ihm, seine Sonntage herumzubringen. Er kannte niemanden in London und verbrachte sie allein. Mr.   Nixon, der Familienanwalt, hatte ihn einmal nach Hampstead eingeladen, und Philip hatte einen glücklichen Tag mit einer Schar von übermütigen Gästen verbracht; er aß und trank eine Menge, unternahm einen Spaziergang in die Heide und nahm beim Abschied eine allgemein gehaltene Einladung mit, wiederzukommen, wann er Lust habe; aber

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