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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Jahre alt war. Ich habe ihn nie kennengelernt. Aber das ist ja auch egal, Daniela hatte außer mir wirklich niemanden, und ich bin der Einzige, der sich um ihr Kind kümmern kann, wenn ich nicht will, dass es ins Heim kommt.«
    Es war still in der Küche.
    »Das wäre ja wohl das Allerletzte«, brummte Amanda schließlich, und Riccardo bestätigte es. »Kommt gar nicht infrage. Sie bleibt natürlich bei uns!«
    »Gut! Wenn ihr das auch wollt, und wenn wir alle an einem Strang ziehen, dann ist es jetzt abgemachte Sache: Daniela wird als unsere Tochter aufwachsen, ich werde sie hier in Italien offiziell anmelden, und alles hat seine Richtigkeit.«
    Sogar Amanda sparte sich diesmal einen Kommentar und nickte nur.
    Jonathan ging in der Küche auf und ab und blieb vor dem Herd stehen. Von dort hatte er sowohl Amanda als auch Riccardo und Sofia im Blick und sprach zu ihnen wie vor Publikum.
    »Ich bitte euch jetzt nur noch um eines. Und das ist ganz wichtig: Was ich getan habe, war legal, aber niemand darf es je erfahren. Niemand darf erfahren, dass ich das Kind mitgebracht habe. Sofia hat es geboren! Ist das klar? Es ist Sofias Kind! Unser gemeinsames Kind! Ihr dürft niemals irgendetwas anderes erzählen. Sie wird Daniela heißen, und in einem halben Jahr lassen wir sie taufen. Was geschehen ist, bleibt unser Geheimnis, und alles, was ich euch erzählt habe, wird diese Küche niemals verlassen, va bene?«
    Keiner sagte einen Ton.
    »Amanda?«
    »Für wen hältst du mich?«, empörte sie sich. »Ich bin doch nicht bescheuert! Natürlich erfährt niemand von mir auch nur ein Sterbenswörtchen. Riccardo und Sofia wissen, wie verschwiegen ich bin.«
    Riccardo ersparte sich einen Kommentar und meinte nur sachlich: »Auf mich kannst du dich verlassen, Jonathan.«
    Jonathan lächelte.
    Sofia vergrub ihre Nase in die Schulterfalte des Babys. Darum hatte er sie also weggesperrt und nicht mehr mit ins Dorf genommen. Weil er mit dem Tod seiner Cousine gerechnet hatte. Er wollte sich die Möglichkeit freihalten, das Baby als ihres auszugeben. Jetzt verstand sie alles und schämte sich dafür, dass sie manchmal an Jonathan gezweifelt und ihm nicht vertraut hatte.
    Don Lorenzo hatte Recht behalten. Der Herr hatte ihre Gebete erhört, und das Schicksal hatte ihr eine kleine Tochter geschenkt. Die Wege des Allmächtigen waren wahrlich unergründlich.
    Sie liebte Daniela bereits mehr als ihr eigenes Leben, und sie würde sie nie wieder hergeben. Nie. Das schwor sie sich in Gedanken. Und dafür war sie bereit, alles, aber auch wirklich alles zu tun.

VIERZIG
    Zehn Tage waren vergangen, und von dem geraubten Säugling fehlte jede Spur. Die wenigen Hinweise, die von der Bevölkerung nach der Veröffentlichung des Phantombildes des mysteriösen Dr. Werner eingegangen waren, hatten sich alle als haltlos erwiesen und führten zu nichts. Es gab Menschen, die auf jedem Phantombild glaubten, irgendjemanden zu erkennen, aufgeregt bei der Polizei anriefen und konkrete Namen nannten. Kommissar Wittek kannte dieses Phänomen nur allzu gut, aber er überprüfte alle erwähnten Personen und ging jedem Hinweis akribisch nach. Doch es war sinnlos. Lisa-Marie blieb verschwunden.
    Wittek war ein fleißiger Mann. Er arbeitete gerne, und er arbeitete viel. Wenn er einen Erfolg witterte, zählte er nicht mehr die Überstunden, die er machte. Auf die Nerven ging ihm allerdings, wenn er bei einem ungelösten Fall zur Untätigkeit verdammt war, wenn er alle Spuren verfolgt, aber nirgends auch nur einen Zentimeter weitergekommen war. Er hatte etliche Male mit der Krankenschwester Tillie geredet, ob ihr an dem Mann noch irgendetwas Außergewöhnliches aufgefallen war, aber Tillie war selbst verzweifelt, dass sie der Polizei so wenig helfen konnte. Sie war jetzt arbeitslos und zermarterte sich von früh bis spät das Hirn. Ohne Erfolg.
    Punkt achtzehn Uhr verließ Wittek das Büro. Er freute sich auf einen ruhigen Abend mit seiner Frau, wollte nur noch kurz in der Apotheke vorbeifahren und dann schleunigst nach Hause. Er hatte schon lange nicht mehr mit seinen Kindern gespielt oder sich für deren Hausaufgaben und Noten interessiert, heute Abend wollte er nicht mehr an Lisa-Marie denken, sondern sich ganz auf seine Familie konzentrieren.
    Gerade als er seinen Wagen aufschloss, klingelte sein Handy.
    »Wann kommst du?«, fragte seine Frau, und sie klang freundlich, ohne jeden Vorwurf in der Stimme.
    »Bald«, antwortete er, »in einer halben Stunde. Ich wollte nur

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