Der Menschenraeuber
Oliven, zupfte Unkraut im Kies oder brauste auf seiner Vespa los, um beim Baustoff händler das Schubkarrenrad flicken zu lassen. Alles, was man ihm sagte, erledigte er, allerdings in Zeitlupe.
Ab und zu näherte sich Jonathan leise, weil er Gianni dabei erwischen wollte, wie er im Gras saß, schlief oder Löcher in die Luft guckte, aber es gelang ihm nicht. Immer wenn Jonathan überraschenderweise um die Ecke kam, arbeitete Gianni. Langsam zwar, aber er arbeitete, und Jonathan konnte nichts sagen, obwohl das Resultat nach acht Stunden immer mehr als dürftig war.
Gegen die Sonne hatte Gianni einen großen Strohhut auf dem Kopf, und wenn er irgendwo auf die Harke gestützt im Ginster stand, schien es, als ob er im Stehen schliefe.
Seitdem nannte Jonathan ihn deshalb »Der-auf-der-Harke-schläft«.
Hin und wieder trafen sich Neri und Jonathan in der Bar und tranken einen Kaffee zusammen.
»Es ist alles wunderbar«, berichtete Jonathan, »er macht seine Sache ordentlich. Ich möchte ihn nicht mehr missen. Du hast einen prima Sohn, Donato. Mach dir keine Sorgen, er wird seinen Weg schon finden.«
»Ich bin dir auch wirklich dankbar, Jonathan. Die Arbeit tut ihm gut, und er ist wie ausgewechselt. Wenn er nach Hause kommt, ist er müde und kaputt, aber er isst sogar Abendbrot mit uns, und gestern hat er sich zum ersten Mal mit seiner Oma unterhalten. Über den Papst.«
»Wie nett.«
»Ja, das schon, aber er hat ihr einen Floh ins Ohr gesetzt. Jetzt will sie unbedingt zu einer Papstaudienz nach Rom.« Einen Tag bevor die nächsten Gäste, Frau und Herr Dr. Kerner, kommen sollten, ging Jonathan noch einmal hinunter zur Casa Gioia, um Haus und Pool zu kontrollieren. Chlor-und pH-Wert im Pool waren in Ordnung, die Wasserqualität war stabil. Kristallklar und mit leuchtend hellblauem Grund präsentierte sich das Schwimmbad, das acht Meter lang und fünf Meter breit war, in seiner ganzen Schönheit. Seine gemauerten Natursteinwände gaben dem Becken eine warme Atmosphäre und korrespondierten gut mit der typisch toskanischen Architektur.
Der Rasen war gemäht, das Unkraut zwischen den Rosenrabatten gezupft, und die frisch gewaschenen Polster waren auf Stühlen und Liegen festgezurrt. Jonathan ging ins Haus, suchte die Decke nach Spinnweben ab, kontrollierte Waschbecken, Toilette und Dusche, machte den Staubtest, indem er mit dem Finger über die Heizrippen der Heizung fuhr, sah in die Teetöpfe und Kaffeetassen, die auf dem Regal standen, ob eine Fliege darin verendet war, zupfte die Überdecke des Bettes glatt, öffnete die Schubladen unter dem Bücherregal, um zu sehen, ob sich eine Maus darin eingenistet hatte, und begutachtete das Weinregal, ob es komplett gefüllt und richtig sortiert war.
Jonathan war zufrieden, steckte eine neue Kerze neben die Madonna im kleinen Erker, schaltete den Kühlschrank an und sah sich abschließend um. Es war ein wunderschönes Haus geworden. Ein verglaster Torbogen in der geräumigen Küche bot einen herrlichen Blick weit übers Land, und auf der davorliegenden Terrasse konnte man vor allem die Abendsonne und den Sonnenuntergang über den bewaldeten Hügeln des Chianti genießen.
Seit zwei Jahren arbeitete Serafina auf La Passerella. Sie war eine kleine, rundliche Sizilianerin mit einer schrillen Stimme und jeder Menge Kraft und Energie. Es hatte viel Mühe gekostet, ihr klarzumachen, wie sie arbeiten sollte, aber irgendwann hatte sie begriffen, dass es in einem Haushalt mit einer Blinden das Allerwichtigste war, nichts zu verändern, zu verrücken oder von links nach rechts zu räumen. Denn Serafina schob gerne alle Gegenstände auf Schreibtisch, Arbeitsplatte oder auf dem Fußboden zu Haufen zusammen, wischte gründlich und verteilte dann alles so, wie es ihr beliebte oder wie es ihren ästhetischen Ordnungsvorstellungen entsprach.
Sanft, aber energisch hatte Jonathan ihr klargemacht, dass sie die Ordnung und das System in diesem Haus zu akzeptieren hatte, und allmählich passte sich die quirlige und aufbrausende Sizilianerin den Valentinis an. Sie befreite den Fußboden in Amandas Küche von dicken Dreckschichten, saugte jahrealte Spinnweben von der Decke und säuberte die fettverklebten Küchenschränke. Sie lernte es, Schmutz zu sehen und zu beseitigen, und wurde im Lauf der Zeit immer sensibler, so dass Jonathan sie schließlich auch Casa Gioia putzen ließ.
Heute war Jonathan mit der Arbeit von Serafina durchaus zufrieden, verließ das Haus und schloss hinter sich
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