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Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman

Titel: Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsebeth Egholm
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scrollte durch den Artikel über das Staatsgefängnis von Ostjütland.
    »Sozialarbeiter sind ›wehleidige Theoretiker‹, aber die Gefängniswärter wissen, ›wie die Wirklichkeit aussieht‹, und müssen in einem ›psychisch minderwertigen Arbeitsumfeld tätig sein, das sie in Mitleidenschaft zieht‹.«
    Sie sah zu Holger Søborg, der seine Lippen zu einem schmalen Strich aufeinandergepresst hatte.
    »Darf ich das so verstehen, dass es zulässig ist, sich wie ein Staat im Staate aufzuführen, weil man es mit knallharten Kriminellen zu tun hat? Ich vermisse hier mehr Quellenangaben, mehr Gründlichkeit und Tiefe.«
    Holger hatte ihr den Rücken zugekehrt und blätterte in den Zeitschriften auf dem Tisch. Helle haute in die Tasten und erweckte den Eindruck, als hätte sie noch nicht auf Empfang gestellt. Davidsen war ausnahmsweise einmal in den Redaktionsräumen aufgetaucht und saß am Telefon, während Cecilie auf dem Boden Rückenübungen machte, die eher an ein erotisches Vorspiel erinnerten. Vielleicht hätte sie Holger diskret zur Seite nehmen sollen, aber er selbst hätte auf sie niemals so viel Rücksicht genommen. Ab und zu stieg in ihr alter Groll auf, der zurückging auf eine Zeit, als Holger und Cecilie sie hintergangen und Cecilies Artikel mit Holgers Signatur versehen hatten.
    »Wir hatten keine Zeit für eine ausführliche Recherche«, verteidigte sich Holger trotzig. »Wir sind mit dem Stoff im Verzug, außerdem wollte da keiner mit mehr rausrücken.«
    |262| »Aus Angst vor Repressalien? Das kann man doch ganz gut nachvollziehen. Vielleicht hättest du den Artikel darüber schreiben sollen? Über die Angst, das Schweigen zu brechen; dass unter den Wärtern das Gesetz des Dschungels regiert, so wie in der Welt der Verbrecher eben auch. Liefert die Wirklichkeit nicht meistens die besseren Storys?«
    Sie konnte das so formulieren, weil ihr Bo schon längst alles von ihrem Ausflug zum Gefängnis erzählt hatte. Er hatte ihr davon berichtet, wie fasziniert Holger von der neuen Technologie in der sichersten Anstalt des Landes gewesen war und wie ehrfürchtig er den Wärtern gegenüber aufgetreten war, die über so einen Ort herrschten. Bo hingegen hatte ganz andere Eindrücke gesammelt, obwohl er an den meisten Orten seine Kamera hatte abgeben müssen und nur von ausgewählten Motiven Aufnahmen hatte machen dürfen.
    Bo hatte dafür seine Chance darin gesehen, mit den Insassen zu reden, und hatte beiläufig den Namen Peter Boutrup fallenlassen. So hatte er erfahren, dass dieser in der berüchtigten Abteilung C saß, wo ganz offensichtlich niemand gerne hinwollte, weil dort ein hartes Regiment geführt wurde.
    »Und da ist noch was anderes«, sagte Dicte, die nach Bos Bericht selbst zum Hörer gegriffen und den Gefängnisdirektor angerufen hatte. »Im März diesen Jahres hat sich dort etwas abgespielt, was einen tiefen Einblick hinter die Kulissen der Gefängnismauern zulässt: Die Wärter hatten einen Insassen, einen Pädophilen, der aus Sicherheitsgründen in die Sicherungsverwahrung in der Abteilung E verlegt worden war, mit schweren Körperverletzungen in seiner Zelle aufgefunden. Angeblich sollen das zwei Rocker zu verantworten haben.«
    Holger glotzte sie mit offenem Mund an.
    »Nur Wärter haben Zugang zu diesen Zellen. Einer von ihnen muss die Zellentür vorsätzlich offen gelassen haben, damit die Schläger sich Zutritt verschaffen konnten. Wenn du ein bisschen fragelustiger gewesen wärest, hättest du vielleicht etwas darüber in Erfahrung bringen können«, betonte sie. »Oder findest du, dass das keine Geschichte wert ist? Findest du es womöglich nur |263| gerecht, dass man doppelt bestraft wird, wenn man sich an kleinen Mädchen vergangen hat?«
    Sie konnte sehen, wie es in Holger arbeitete und er eine Antwort geben wollte. Die Worte standen Schlange, das war ganz deutlich. Ebenso deutlich aber war leider auch, dass Holger seine Aufgabe als Reporter alles andere als brillant gelöst hatte. Seine Artikel hatten so viel Drive wie ein hinkendes Pferd.
    Sie kritzelte die Nummern und Namen der Quellen auf einen Zettel, die er hätte kontaktieren müssen, vom Verband der Gefängnisse bis zur Gefangenenfürsorge.
    »Wer trägt hierfür die Verantwortung? Was ist schiefgelaufen? Wenn du wirklich einen Artikel über die Arbeitsverhältnisse in diesem Gefängnis schreiben willst, dann mach wenigstens du deine Arbeit ordentlich.«
    Der Hass in seinem Blick sagte mehr als tausend Worte. Nicht zum

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