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Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman

Titel: Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsebeth Egholm
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lassen.
    Sie faltete den Zettel auf und betrachtete die Nummer, während sie insgeheim verfluchte, dass sie immer so kompliziert sein musste. Sie war oft genervt von ihm und hatte auch das Bedürfnis, sich zurückzuziehen, aber sie konnte gleichzeitig nicht ohne ihn sein.
    Dann rollte sie das Stück Papier in ihrer Hand zusammen und drückte sie fester zusammen, als sie eigentlich wollte.
    »Vielen Dank dafür. Ich gehe davon aus, dass die Frau Englisch spricht?«
    Er lächelte.
    »Das tue ich auch. Immerhin ist sie Dozentin für Englisch an der Handelsschule von Lublin.«
     
    Erst viel später, nach dem Redaktionsschluss der Krimibeilage, holte Dicte den Zettel wieder hervor. Sie hatte alle Artikel durchgelesen und etwas unwillig sogar Holger für seine überarbeitete Version der Gefängnisgeschichte gelobt. Bo war schon früher gefahren, um sich noch von seinen Kindern zu verabschieden, darum ging sie in den Raum der Fotoredaktion, um von dort aus ungestört zu telefonieren. Ohne voraussehen zu können, wo sie das hinführen könnte, wählte sie die Nummer. Kurz darauf wurde sie von einer Frauenstimme gegrüßt, die so nah klang, als würde sie neben ihr auf dem Sofa sitzen und sich mit ihr unterhalten.
    »Ich heiße Petra«, stellte sich die Frau freundlich und in leicht verständlichem Englisch vor. »Ich habe schon auf Ihren Anruf gewartet.«
    Es entstand eine kleine Pause.
    »Das mit Ihrem Mann tut mir furchtbar leid.«
    Es kam ihr merkwürdig vor zu kondolieren, obwohl der Todesfall |267| bereits Jahre zurücklag. Aber Petra Jakobowska klang aufrichtig, als sie antwortete:
    »Tausend Dank. Das war eine sehr schwierige Zeit für mich und meine Familie.«
    Dicte räusperte sich.
    »Das verstehe ich gut. Wie Sie vielleicht schon gehört haben, hat es hier in Dänemark einen ähnlichen Mord an einer jungen Frau gegeben, die ebenfalls vor einem Fußballstadion gefunden wurde. Und vor zwei Jahren gab es einen ähnlichen Fall im Kosovo.«
    »Ja, davon habe ich gehört«, erwiderte Petra. »Und ich habe mich gefragt, wie ich etwas zur Auflösung beitragen kann. Die Polizei hat mich erneut aufgesucht und befragt, aber ich bin mir nicht sicher, wie ernsthaft sie ihre Bemühungen bei einem alten, wieder aufgenommenen Fall vorantreiben. Ich glaube nicht, dass sie wirklich bereit sind, den Kern der Sache zu berühren.«
    »Was vermuten Sie denn als den Kern der Sache?«
    Dicte spürte das Zögern ihrer Gesprächspartnerin ganz deutlich.
    »Spreche ich mit Ihnen als Journalistin oder als Privatperson?«
    Die Angst, mit Namen in einem Artikel aufzutauchen, war vollkommen verständlich, bedachte man, dass sich der Täter noch auf freiem Fuß befand. Dicte schlug vor, ihre Unterhaltung zunächst als ein informelles Gespräch zu betrachten.
    »Ich werde nichts davon in einem Artikel verwenden, sondern nur als eine Art Hintergrundinformation«, versprach sie. »Und wenn ich Sie zitieren möchte, geschieht das nur mit Ihrer Einwilligung. Sie erhalten den Text vorab schriftlich und können ersehen, in welchem Zusammenhang die Zitate angeführt werden.«
    Das half. Petra Jakobowskas Stimme klang jetzt wesentlich heller, als sie sich für Dictes Entgegenkommen bedankte.
    »Ich bin gezwungen, vorsichtig zu sein. Ich hoffe, Sie verstehen das.«
    »Selbstverständlich. Das war mein Fehler. Ich hätte Ihnen das |268| sofort vorschlagen müssen. War Ihr Mann in irgendeine gefährliche Sache verwickelt? Hatte er Kontakte zu kriminellen Milieus?«
    Am anderen Ende der Leitung war ein trockenes Lachen zu hören.
    »Viele in Polen haben Kontakt zu Kriminellen. So überleben wir hier. So sind wir in der Lage, Dinge zu bekommen, die über das Notwendige hinausreichen. Auch so viele Jahre nach dem Sturz des Kommunismus gibt es für alles einen Schwarzmarkt.«
    »Und vermuten Sie, dass der Tod Ihres Mannes damit zu tun hat? Mit dem Schwarzmarkthandel? Aber welche Ware?«
    »Mit Menschen«, behauptete die Frau mit fester Stimme.
    »Trafficking?«, fragte Dicte und verwendete das internationale Wort für Menschenhandel, das hauptsächlich den Verkauf von Prostituierten aus sogenannten Schwellenländern in westliche Länder beschrieb.
    Sie konnte das Zögern auf der anderen Seite hören.
    »Ich weiß es nicht genau, aber ich glaube nicht, dass es das ist. Ich weiß nur, dass Miro eine Weile vor seinem Tod begonnen hatte, sich merkwürdig zu verhalten. Und er hatte Andeutungen gemacht über die verschiedenen Instanzen, mit denen er zu tun hatte.

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