Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman

Titel: Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsebeth Egholm
Vom Netzwerk:
ersten Mal fragte sie sich, ob das die Schattenseite ihrer Position als Leiterin der Krimiredaktion war. Ab und zu erhielten sie auch Drohungen von außen, von Menschen, die sich angegriffen oder missverstanden fühlten. Hassmails gehörten leider zur Tagesordnung, aber viel schlimmer war Widerstand aus den eigenen Reihen.
    Sie schloss das Dokument mit dem Artikel und ließ Holger Holger sein. Sie hatte noch keine Zeit gehabt, der Sache mit den geschmolzenen Glasaugen nachzugehen oder die mögliche Verbindung der rechten Szene mit der organisierten Kriminalität zu überprüfen. Es hatte nur für die Konzentration auf die Artikel gereicht, die unbedingt in die Krimibeilage sollten. Außerdem hatte das Krankenhaus angerufen und mit ihr einen Beratungstermin für den nächsten Tag vereinbart.
    Sie machte sich auf den Weg in die Fotoredaktion, in der sich Bo vor dem Rest der Redaktion versteckte.
    »Erzähl mir noch mehr, bitte.«
    Er sah vom Bildschirm auf, wo die Fotos vom Gefängnis zu sehen waren.
    »Was möchtest du wissen?«
    |264| »Alles, was sich nicht mit bloßem Auge sehen lässt. Die Atmosphäre. Das Unausgesprochene. Die innere Kultur …«
    »Und auch was über Peter Boutrup?«
    Er sagte es vorsichtig, so als hätte er Angst, sie damit vor den Kopf zu stoßen.
    Sie nickte.
    »Wie reden die anderen über ihn? Hast du davon einen Eindruck bekommen können?«
    »Keinen eindeutigen.«
    Sie hatte sich auf den Stuhl neben ihm gesetzt. Unerwartet beugte sich Bo vor, nahm ihr Gesicht in seine Hände und sah ihr tief in die Augen.
    »Du musst versuchen, in dieser Sache die Distanz zu wahren. Ich weiß, dass es schwer ist, aber du musst es versuchen.«
    Sie antwortete mit einem Blinzeln. Sie wusste, dass er ihr etwas verheimlichte, aber hatte bis jetzt nicht zu fragen gewagt.
    Lange hielt Bo ihren Kopf in seinen Händen.
    »Okay. Es macht den Eindruck, als wäre er sowohl von den Insassen als auch von den Wärtern respektiert. Und auch ein wenig gefürchtet.«
    »Aber er ist doch krank. Wovor können die denn Angst haben?«
    Bo nickte.
    »Krankheit macht niemanden zu einem besseren Menschen. In einem Gefängnis gibt es die Starken und die Schwachen. Die Starken sind nicht automatisch die physisch Stärksten. Sie sind stark, weil sie etwas über die anderen wissen oder weil sie Kontakte haben, über die alle anderen nicht verfügen.«
    »Drogen?«
    Bo zuckte mit den Schultern.
    »Keine Ahnung. Das kann vieles sein, nicht notwendigerweise krimineller Natur.«
    »Was dann?«
    Er schloss die Augen für einen Moment, dann öffnete er sie wieder und sah sie an.
    |265| »Dass er gefährlich ist und alle manipulieren kann. Dass er die Leute zu seinen Gunsten gegeneinander ausspielt. Insassen und Wärter. Ich glaube nicht, dass Peter Boutrup jemals zusammengeschlagen in seiner Zelle liegen wird. Das würde sich niemand trauen. Noch nicht einmal die Rocker, auch wenn sie die Gelegenheit dazu bekämen.«
    Er wühlte in den Unterlagen, die auf dem Schreibtisch verstreut lagen. Dicte fragte sich, was Boutrup über die Stadion-Sache wusste. Vielleicht hatte Bo recht, dass er in die Sache verwickelt war und als eine Art Hintermann fungierte. Auf jeden Fall spielte sich in diesem Gefängnis irgendetwas ab, und Peter Boutrup war ein Akteur, der bei der Aufklärung behilflich sein konnte.
    »Hier. Ich habe was für dich.«
    Er reichte ihr einen Zettel, auf dem eine lange Nummer stand.
    »Was ist das?«
    »Eine Handynummer aus Polen. Sie gehört der Frau, deren Mann ermordet wurde. Sie würde sich gerne mit dir unterhalten.«
    »Hattest du schon Kontakt zu ihr?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Ich hab die Nummer von einer polnischen Kollegin bekommen, mit der ich vor einer halben Stunde telefoniert habe.«
    Sie wollte fragen, aus welchem Anlass, wusste aber schon, was gleich kommen würde.
    »Ich fliege morgen früh mit Jan Nielsen nach Warschau. Wir machen eine Reportage über Polen, die in den Westen gehen, um in der Baubranche Arbeit zu finden. Wir fahren auch nach Lublin.«
    Sie hätte gerne etwas Nettes gesagt, aber heraus kam etwas anderes.
    »Wie lange bleibst du?«
    »Vier Tage. Glaubst du, du wirst das überleben?«
    »Natürlich.«
    Sie hasste es, wenn er nicht da war, und er wusste das. Sie hasste |266| auch sich selbst für ihre Gefühle und versuchte immer, sie zu verbergen. Leider gelang ihr das nie, und sie konnte selbst hören, dass ihr«Natürlich« eifersüchtig klang und ihr Unvermögen entlarvte, ihn gehen zu

Weitere Kostenlose Bücher