Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
Sie wollte gerade sagen, dass genau das die Hunderttausend-Euro-Frage war, als ihr Handy drüben auf dem Schreibtisch klingelte.
Sie schaffte es in letzter Sekunde.
»Dicte Svendsen.«
Sie erkannte die Stimme nicht sofort, weil sie ganz verzerrt klang.
»Wir haben hier früher Fußball gespielt. Wir haben ganz in der Nähe gewohnt.«
»Frederik Winkler?«
»Der Klub hat den Platz natürlich auch benutzt, und sonntags |334| sind wir manchmal rübergegangen, um uns ein Spiel anzusehen.«
Sie benötigte keine weiteren Erklärungen. Der Kampf zwischen Vater und Sohn hatte endlich ein Ende gefunden.
»Wo? Wo haben Sie ihn gefunden?«
»Ich bin nur ein Stück spazieren gegangen«, sagte Winkler. »Das tue ich manchmal, Erinnerung, verstehen Sie?«
Sie verstand das. Sie wusste nicht, warum, aber sie hatte alles verstanden.
»Wo ist er? Wo ist Ihr Sohn?«
Er beschrieb ihr die Stelle.
»Haben Sie schon die Polizei gerufen? Soll ich das für Sie tun?«
Er legte auf, und sie wählte umgehend die Nummer von Wagner, während sie und Bo aus der Tür stürmten.
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Kapitel 50
Wagner schraubte den Deckel ab und nahm eine Tablette heraus, die er mit kaltem Tee herunterspülte. Kalter, grüner Tee. Er verzog das Gesicht vor Ekel, als er den Becher zurück auf den Tisch stellte. Ihn ekelten der grüne Tee und auch die Tatsache, dass er so viel Tamtam um seinen Körper machte. Aber ganz offensichtlich half es. Zumindest hatte er seitdem weder schmerzhafte Krämpfe noch Angstattacken vor einem Herzinfarkt gehabt.
Er starrte auf den Notizblock, der vor ihm lag. Ab und an war es von großem Nutzen, einfach alle Details aufzuschreiben, die in alle Himmelsrichtungen wiesen.
In die erste Zeile hatte er geschrieben: Wer hat Mette Mortensen getötet?
Darunter hatte er alle potentiellen Verdächtigen gesetzt, wobei der dünne Mann den Platz des Hauptverdächtigen einnahm. |335| Wer war er? Wagner umkreiste den Namen gedankenverloren mit dem Kugelschreiber. Er musste Mette Mortensen und Arne Bay gekannt haben. Aber niemand aus Mette Mortensens Bekanntenkreis entsprach der Beschreibung, abgesehen von ihrem Chef Carsten Kamm, und der hatte ein Alibi. Als Nächster kam Mettes Vater. Ulrik Storcks Name stand an Nummer drei unter Carsten Kamm. Warum hatte Mette ihn Samstagnacht angerufen? Wirklich nur, um zu sagen, dass sie nach Hause kommen wollte? Zumindest hatte das Ulrik Storck behauptet, als ihn Kristian Hvidt und Arne Petersen erneut dazu befragt hatten. Aber konnte das ganze fünf Minuten in Anspruch nehmen? Was noch hatten Vater und Tochter in jener Nacht ausgetauscht? Hatten sie gestritten? Oder gab es etwas anderes zwischen ihnen, was der Vater nicht offenbaren wollte?
Als Letzter stand Arne Bay auf der Liste. Wagner umkreiste auch seinen Namen. Worin war Bay verwickelt? Was hatte er für Informationen über den dünnen Mann, mit denen er versucht hatte, diesen zu erpressen?
Wenn sie die Aussage des Globetrotters Refstrup nur schon früher gehabt hätten. Sie belegte, dass Bay an jenem Tag am Stadion gewesen war. Aber war er deswegen auch Mette Mortensens Mörder? Hatte er die Leiche während der zweiten Halbzeit auf dem Parkplatz deponiert?
Er versuchte, eine logische Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Wenn Bay der Erpresser war, verfügte er über geheimes Wissen, das er gegen den dünnen Mann einsetzen konnte, und eben nicht andersherum. Bay war ganz offensichtlich in die Sache verwickelt gewesen, vielleicht als Handlanger in dem dreckigen Geschäft, von dem Dicte Svendsen gesprochen hatte. Er hatte etwas gegen den dünnen Mann in der Hand. Womöglich sogar den Mord an Mette Mortensen. Unter Umständen erinnerte er sich doch an mehr Details von besagter Samstagnacht, als er zugegeben hatte. Unter Umständen war er sogar mitschuldig.
Wagner sah auf die Uhr. Es war neun am Morgen. Gegen elf erwartete er den Gefangenentransporter aus Ålborg mit Jan |336| Møller, der nach einem vorläufigen Verhör für zwei Wochen in Untersuchungshaft genommen und des Mordes an seiner Freundin angeklagt wurde. Hoffentlich hatte er ein paar Antworten auf seine Fragen. Bay und er waren enge Freunde und häufig zusammen gesehen worden.
Auf seinem Notizblock hatte Wagner noch eine zweite Liste mit den Firmennamen stehen, deren Buchhaltung Mette im Auftrag von Kamm überarbeitet hatte. Es waren sieben Namen, die alle überprüft werden mussten, aber bisher hatten sie keine Zeit dazu gehabt. Ivar K und Eriksen waren auf dem Weg
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