Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
die Situation äußerst belustigend zu finden.
»Jetzt beruhig dich mal, Janos, und setz dich wieder hin. Wir fangen noch mal von vorne an, wie zwei alte Freunde. Wir finden schon eine Lösung zusammen, was meinst du?«
Janos verharrte in der Bewegung. Sein ganzes Innenleben wehrte sich, der Schweiß strömte aus allen Poren. Dann gelang es ihm, seinen Atem unter Kontrolle zu bekommen, danach sich selbst. Worauf hatte er sich da nur eingelassen?
Er setzte sich wieder hin.
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Kapitel 59
»Ich habe dich mit deinem Liebsten gesehen«, kam es von Boutrup zur Begrüßung. »Süßer Typ, guter Hintern. Der wäre sehr beliebt, dort wo ich gerade wohne. Aber ist er nicht ein bisschen zu jung für dich, Mutter?«
Sein Lächeln war bittersüß. Das Wort Mutter war mit einem Berg an Bedeutungen beladen, aber keine von ihnen hatte mit Liebe zu tun.
Sie setzte sich neben den Stuhl, auf dem er während der Dialyse saß.
»Es kann sein, dass ich nicht spenden kann, mein Blutdruck ist zu hoch.«
|383| Sie sagte es so behutsam wie möglich und hätte sich in diesem Moment so sehr bessere Neuigkeiten für ihn gewünscht.
Zuerst sah er sie verblüfft an, dann warf er den Kopf in den Nacken und lachte laut auf.
»Das ist ein guter Witz. Mit dieser Ausrede schicken sie euch immer los. Das weiß ich aus verlässlicher Quelle.«
Er verstummte und heftete seinen Blick auf sie.
»Du hast es dir anders überlegt. Du hast Angst.« Sie zerrte das Blutdruckmessgerät aus der Tasche und zeigte es ihm.
»Ich muss die nächsten Tage meinen Blutdruck messen. Wir hoffen, dass es ein einmaliges Messergebnis war. Ich habe mich dazu entschieden, dir die Wahrheit zu sagen. Du bist doch ein Mann, der die Wahrheit verträgt, oder?«
Er gab keine Antwort. Sie starrten einander an, und sie wusste nur zu gut, dass in diesem Moment kein Durchdringen zu ihm möglich war.
»Bays Freundin ist verschwunden, hast du das mitbekommen?«
Er nickte.
»Diese Mulattin. Ich habe das Foto in der Zeitung gesehen. Ein echter Leckerbissen, wenn du mich fragst.«
»Ich möchte dich fragen, ob du mithelfen willst, ihr das Leben zu retten? Du hast vermutlich auch gelesen, dass Bay tot ist. Ich habe ihn gefunden.«
Er riss den freien Arm in die Luft und ballte die Faust.
»Dicte Svendsen. Immer zur Stelle!«
»Sie könnte noch am Leben sein. Aber wir wissen nicht, wo sie ist, und das ist deine Chance zu helfen. Wäre das nicht mal ein anderes und besseres Gefühl: jemandem etwas Gutes zu tun, anstatt ihm von hinten eine Kugel in den Rücken zu jagen?«
Sie war fast zu weit gegangen, das sah sie ganz deutlich an seinem Blick.
»Was weißt du schon davon, was gut und was schlecht ist?«, |384| sagte er leise. »Du hast mich fremden Menschen überlassen, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken.«
Seine Ungerechtigkeit machte sie wütend. Sie wollte sich beherrschen, aber es gelang ihr nicht.
»Und was weißt du schon davon, wie es ist, sein Kind weggeben zu müssen?«, sagte sie heiser. »Was weißt du davon, wie es ist, sechzehn und schwanger zu sein und zu wissen, dass du alles verlieren wirst: dein Kind, deine Familie, dein Leben?« Sie ignorierte sein überhebliches Lächeln und fuhr fort. »Du sagst, dass dich Gefühle nicht interessieren. Bitte schön, von meinen bleibst du verschont. Aber es ist ganz offensichtlich, dass du deinen nicht entkommen kannst. Du bist verbittert. Du tust dir selbst maßlos leid und gibst mir die Schuld. Bitte sehr! Aber du lässt einen unschuldigen Menschen dafür leiden.« Sie zeigte mit dem ausgestreckten Finger auf ihn. Vielleicht war Provokation der einzige Weg, ihn aus der Reserve zu locken. »Du kannst unmöglich mein Sohn sein. So kindisch würde sich mein Sohn nicht verhalten. Mein Sohn wäre ein Mann, der Verantwortung übernähme. Mein Sohn ließe andere Menschen nicht unnötig leiden, wenn er den Schlüssel für ihre Rettung in der Hand hätte.«
»Aber der DNA-Test war eindeutig«, lachte er und grinste. »Ich
bin
dein Sohn! Ihr habt ein Monster erschaffen, du und dein Lover, wer auch immer das gewesen sein mag. Ist das nicht die reinste Ironie des Schicksals?«
Er griff nach ihrer Hand und legte sie in einer Parodie einer liebevollen Geste an seine Wange.
»Liebe Mutter«, schnurrte er und drückte ihre Hand noch fester gegen die Bartstoppeln, unter denen seine weiche Haut zu spüren war. Sie wollte das nicht, ihr Magen zog sich zusammen, ihr ganzes System geriet durcheinander. Mit einem Ruck riss
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