Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
kleiner, korpulenter Mann mit einem länglichen Gesicht, das besser zu einem größeren Körper gepasst hätte. Aber so ungleich waren die Güter der Erde nun einmal verteilt, dachte Wagner, als sie sich die Hand gaben. Man sah Bülow häufig in den Medien an der Seite von langbeinigen Blondinen, also musste er etwas Anziehendes haben, Charme, vielleicht. Zumindest aber Geld.
Voller Stolz zeigte ihnen Bülow die Anlage und redete in einem fort, als wolle er ihnen eine Versicherung für ein langes und erfülltes Leben verkaufen.
»Unsere Labore sind ganz neu und mit der modernsten Technologie ausgerüstet. Wir verwenden Blutproben für die verschiedensten Analysen. Wir behandeln das Nabelschnurblut nachträglich, damit der Teil des Blutes, der die wichtigen Stammzellen beinhaltet, konserviert werden kann.«
Wagner fand, dass auch Hansen diese Ausführung nicht mit größerem Enthusiasmus hätte vortragen können. Hansen hing nicht umsonst an Bülows Lippen, der sich weiter über die Vortrefflichkeit seines Unternehmens ausließ, während sich Wagner in dem besagten Labor umsah.
»Wir zentrifugieren zwei Mal und trennen so die roten Blutkörperchen vom Blutplasma, bis sich daraus etwa 20 Milliliter Extrakt von kernhaltigen, weißen Blutkörperchen mit CD 34+ Stammzellen ergeben haben.«
Hansen lächelte wie die Katze vor einer Schale mit Sahne. Wagner nickte nur und ließ seinen Blick über die Apparate und Instrumente schweifen, die ein Vermögen gekostet haben mussten. Ganz zu schweigen von den Gehältern der drei Laboranten, die Wagner gezählt hatte. Wo stammte das Geld her? Er hatte keine Ahnung, wie diese stromlinienförmigen Geräte hießen, an denen rote Zahlen blinkten und Zeitschaltuhren piepten, und es war ihm eigentlich auch egal. Was ihn allerdings interessierte, war, ob 3000 Familien tatsächlich mit ihren Beiträgen diesen Aufwand tragen konnten. Er kam zu dem Schluss, |391| dass dies unmöglich war. Entweder musste das vorfinanziert worden sein, oder es existierten andere Einnahmequellen.
»Wir bewahren das Nabelschnurblut in zweikammrigen Tiefkühlbehältern auf. In der einen Kammer befinden sich 15 Milliliter des Extrakts, die aufgetaut und für eventuelle Transplantationen verwendet werden können«, erläuterte Bülow. »Die verbleibenden 5 Milliliter können dann später verwertet werden, wenn die Genforschung es ermöglicht.«
» Falls
die Genforschung es ermöglicht.« Wagner konnte sich nicht zurückhalten, aber Bülow entschied sich, diesen Wortbeitrag elegant zu überhören.
»Wir sind von der Ärztekammer anerkannt, verfügen über die notwendigen Zertifikate und bekommen jährlich einen Besuch zur Qualitätskontrolle abgestattet«, betonte Bülow, so als würde das die Sicherheit bieten, dass man bald, in naher Zukunft, mit menschlichen Zellen Magisches bewerkstelligen und damit ein ewiges Leben garantieren könnte. »Und wir folgen den Auflagen und Verfahrensvorschriften des aktuellen Gewebegesetzes.«
»Auflagen und Verfahrensvorschriften«, murmelte Wagner vor sich hin. Wenig verlockende Ausdrücke, fand er. Ihm gefielen Worte wie Allegro Vivace und Scherzo viel besser, aber es war undenkbar, das hier und jetzt anzubringen.
»Soweit wir informiert sind, haben Sie vor kurzem den Geschäftsführer Carsten Kamm von der Firma Hammershøj beauftragt, Ihre Buchführung zu prüfen?«
»Ja, das ist richtig.«
War da ein Anflug von Nervosität zu hören? Unter Umständen hatte Kamm seinen Klienten vorgewarnt. Bülow ließ den Blick durchs Labor und über seine drei Angestellten wandern, die in ihre Aufgaben vertieft waren. Der eine hantierte mit einem Mikroskop, der nächste stand vor einer Maschine, die sehr an einen Trockner erinnerte, und der dritte war mit Zellkulturen in flachen Petrischalen beschäftigt.
»Vielleicht sollten wir lieber hinunter in mein Büro gehen und dort unser Gespräch beenden«, schlug Bülow vor.
|392| »Wo bewahren Sie denn das alles auf?«, fragte Wagner.
»Das alles?«, wiederholte Bülow zerstreut, während er den Gang hinunterhastete. »Hier. Lassen Sie uns hinsetzen. Kaffee?«
Er fragte mit dem Gesichtsausdruck eines Kellners in einem Fünf-Sterne-Restaurant.
Wagner lehnte dankend ab, Hansen tat es ihm nach.
»Wir bewahren die Stammzellen in unserem Tiefkühllager. Aber Sie erwähnten Kamm? Was ist mit ihm?«
»Und wo befindet sich das? Das Tiefkühllager?«, wollte Hansen wissen. »Wissen Sie, meine Frau und ich überlegen gerade … sie ist
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