Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
Vielleicht ist es eher seine Art von Stolz. Lassen Sie mich wissen, wenn sich etwas Neues ergibt.«
Er ging in sein Büro und erreichte gerade noch rechtzeitig das klingelnde Telefon. Lena bemühte sich, tapfer zu klingen, aber es war deutlich zu hören, dass irgendetwas fürchterlich falsch lief.
»Es tut so weh. Kannst du kommen?«
Er wusste, dass sie es hasste, ihn zu fragen. Sie war ein eigenständiges Wesen, aber in diesem Moment war sie vollkommen allein, und er hatte sie zu dieser Operation überredet. Er musste zu ihr fahren.
»Ich versuche es, das verspreche ich.«
Er musste auf der ganzen Station herumfragen, um es einzurichten, aber am Ende gelang es ihm endlich mit der Behauptung, seine Mutter sei plötzlich schwer erkrankt, seinen Dienst zu tauschen.
Dann fuhr er zu ihr, voller Gewissheit, dass er sein altes Leben hinter sich ließ. Vermutlich würde er nie wieder dorthin zurückkehren.
»Es tut so weh.«
Sie lag auf dem Sofa, als er ankam. Er blickte auf die kleine Gestalt unter der Decke, zunächst konnte er sie kaum ausfindig machen. Ihn überkam das Bedürfnis, sie in die Arme zu schließen und einfach mit ihr zu flüchten, an irgendeinen sicheren Ort. Doch einen solchen Ort gab es nicht, das wusste er nur zu gut.
»Lass mich dich ansehen.«
|411| Vorsichtig entfernte Janos die Binde, die ihre frisch operierten Augen schützte. Sie waren rot, geschwollen und eitrig. Er legte eine Hand auf ihre Stirn, die glühend heiß war.
»Hast du schon Fieber gemessen?«
Sie nickte. Es war ein vorsichtiges, leichtes Nicken, und während sie das Gesicht verzerrte, versuchte er sich den Schmerz auszumalen, den sie bei jeder kleinsten Bewegung ertragen musste.
»39,5.«
Er nahm ihre Hand, beugte sich vor und küsste sie. Er sagte es nicht laut, doch sie wussten es beide. Ihre neuen Hornhäute hatten sich entzündet.
»Wir müssen dich untersuchen lassen.«
»In Vejle?«
Er würde sie nie wieder nach Vejle fahren, das hatte er sich geschworen.
»Nein, wir fahren in die Notaufnahme. Von dort aus kommst du schnell in die Augenambulanz. Was soll ich für dich einpacken?«
Sie griff nach seinem Arm.
»Janos. Das war illegal, oder? Die Hornhäute. Nicht offiziell zugelassen. Werden die im Krankenhaus nicht wütend sein?«
Er seufzte. Jetzt würde alles herauskommen, aber so war es vielleicht auch am besten.
»Darüber musst du dir keine Gedanken machen. Hauptsache, du wirst wieder gesund.«
Ein wenig unbeholfen nahm er ihre Hand. Er strich über die glatte Haut; die blauen Äderchen, die sich deutlich darunter abzeichneten. Sie wirkte so zart. Er ließ sich die Ereignisse der letzten Zeit durch den Kopf gehen, suchte nach Anzeichen von Scham und Reue, doch er wusste, dass er es jederzeit wieder tun würde. Für sie würde er alles tun.
»Verzeih mir, Liebste. Es war nicht meine Absicht, dich alldem auszusetzen. Ich wollte einfach nur, dass du wieder gesund wirst.«
Sie versuchte zu lächeln.
|412| »Ich werde schon überleben. Aber was ist mir dir? Wird es denn keine Konsequenzen haben, dass du die Grenzen der Legalität überschritten hast? Und wo stammen diese Hornhäute denn eigentlich überhaupt her?«
An die Antwort auf ihre Frage wagte er gar nicht erst zu denken, er konnte nur eins nach dem anderen angehen. Natürlich wäre es am klügsten, wenn Vejleborg die Infektion stoppte, doch allein der Gedanke daran, ihn wiederzusehen, verursachte ihm eine Gänsehaut. Würde er stattdessen eher seine Karriere opfern? Die Antwort lautete ja, wie schon zu dem Zeitpunkt, als er beschlossen hatte, seinen Arbeitsplatz zu verlassen, um zu ihr zu fahren. Er hatte keine Ahnung, wohin diese Entscheidung ihn – und auch sie– führen würde. Aber es gab keinen anderen Ausweg, er hoffte nur, dass sie überleben würde. Das war das Einzige, was zählte.
Er stand auf.
»Ich packe ein paar Sachen für dich ein«, sagte er und machte sich auf die Suche nach einem Kulturbeutel. Er musste daran denken, wie Peter Boutrup ihn genannt hatte. Doktor Tod.
Hatte Boutrup womöglich eine Vorahnung gehabt? War dieser Name am Ende auf verhängnisvolle Weise zutreffender, als er ursprünglich gedacht hatte? Er wollte es nicht hoffen.
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Kapitel 65
»Meine Tochter ist tot, meine Frau ist ausgezogen. Was wollen Sie denn noch von mir?«
Mette Mortensens Stiefvater Ulrich Storck war offensichtlich in die Defensive gegangen. Das kleine Haus in der Sjællandsgade wirkte leer, es war niemand mehr da, der
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