Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
hatte.
»Ich komme runter!«
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|46| Kapitel 7
»Verdammt, Svendsen, bist du in der Pubertät? Ich dachte, Rebellion ist was für Fünfzehnjährige?«
»Rebellion?«
Dicte blieb auf der Schwelle zu den Redaktionsräumen stehen. Sie hatte nicht erwartet, den Chefredakteur Otto Kaiser aus Kopenhagen vor der nächsten Redaktionssitzung morgen früh zu sehen. Und jetzt saß er auf ihrem Stuhl.
Er lehnte sich zurück und lag förmlich auf dem Stuhl, die Beine ausgestreckt und die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
»Da gibt man dir die Gelegenheit, als Chef zu operieren, und glaubt, du würdest das gemeine Volk als Kanonenfutter losschicken. Aber nein, Svendsen ist immer selbst vor Ort. Und dann auch noch bei so einer erbärmlichen Pressekonferenz der Polizei.«
Er riss seine Hand in die Luft und deutete mit einer ausschweifenden Geste auf ihre Kollegen, die geschäftig hinter ihren Computern saßen.
»Während die Truppen sich mit Spielen und Poker im Netz vergnügen.«
Dicte warf ihre Tasche auf den Tisch und hätte ihn beinahe damit gerammt.
»Hier spielt niemand im Netz. Wir haben verdammt viel zu tun für diese Beilage, falls du dich nicht erinnern solltest. Neue Beilage! Operation: Mehr Leser binden. Wir haben Arbeit bis unters Dach.«
Angriff war bei Kaiser immer die beste Verteidigung. Außerdem war sie gerade in Fahrt, nach anderthalb Stunden in einem kochend heißen Saal zusammen mit der vereinigten dänischen Weltpresse und Wagner & Co, die wie begossene Pudel auf dem Podium saßen. Sie war wütend. Sie hatte kein Komma extra mehr an Information bekommen als alle anderen Journalisten. |47| Aus welchem Grund auch immer hatte Wagner entschieden, dass er ihr keinen Gefallen schuldete, und die Irritation, dass sie nur äußerst notdürftig aufgeklärt worden war, saß ihr wie ein Frosch im Hals. Sie wusste, dass die Polizei Wissen zurückhielt. Das taten die immer.
Sie ging hinaus in die Teeküche, um ein Glas kaltes Wasser zu trinken. Aber das Wasser aus dem Hahn war lauwarm. Und das würde es auch noch sein, wenn sie es eine Stunde laufen ließ.
»Du hast doch selbst gesagt, du bräuchtest mal ein bisschen mehr Ruhe«, rechtfertigte sich Kaiser, als sie mit Wasserglas und einem heißersehnten Keks zurück ins Zimmer kam. »Du hast mir gesagt, du bräuchtest Ruhe.«
Sie spuckte den Schluck fast wieder aus. Hatte sie das wirklich gesagt?
»Ich meinte damit nicht, in Ruhe hinterm Schreibtisch sitzen zu dürfen. Ich meinte …«
»In Ruhe herumstöbern zu können, um Leichen auf Parkplätzen zu finden und dann Beweismaterial an die Polizei weiterzuleiten, du kleine Streberin.«
Natürlich hatte er davon schon längst erfahren. Vor einem Otto Kaiser, der überall seine kaiserlichen Spione hatte, konnte man nichts verheimlichen. Sie war ja selbst eine davon. Ab und zu fragte sie sich verwundert, was für eine seltsame Loyalität sie an diesen Mann band. Vielleicht hing es mit seiner unendlichen Geduld zusammen, mit der er sie zu Beginn ihrer Laufbahn in die Materie des Nachrichtenfachs eingewiesen hatte, dem sie zuerst mit Ablehnung begegnet war.
Streberin. Das Wort pochte wie Blut in ihren Schläfen. Das war nicht das erste Mal, dass er sie so nannte. Es war auch nicht das erste Mal, dass sie so stark darauf reagierte. Sie wusste, dass es beabsichtigt war, sie sollte ihm Paroli bieten. Aber an diesem Tag nahm sie den Köder mit einem Lächeln an und verschluckte ihn mit Haken und Schnur.
»Das ist eine gute Geschichte, und da ist mehr drin, als die Polizei zugeben will«, sagte sie.
|48| Er zog die Beine zu sich, lehnte sich vor und sah aus wie ein Kind, das gespannt auf das Ende eines Märchens wartet.
»Was denn?«
»Ich weiß noch nicht genau. Da stimmt nur irgendwas mit der Leiche nicht.«
»Wer ist sie denn?«
»22 Jahre alt, in der Ausbildung zur Rechnungsprüferin. Mette Mortensen. Sie verschwand nach einem Discobesuch Samstagnacht. Zuletzt wurde sie von einer Freundin gesehen, wie sie mit einem jungen Mann gegen ein Uhr nachts im Waxies in der Frederiksgade flirtete.«
«Wisst ihr, wer der Mann ist?«
Dicte schüttelte den Kopf.
»Die Beschreibung deutet auf einen Hooligan hin. Und sieh dir das hier mal an.«
Sie öffnete den Handyfilm auf ihrem Bildschirm und schickte Bo ein Dankeschön dafür, dass er den Film hochgeladen hatte, bevor sie am Tag zuvor zurück zum Varna Palais gefahren waren. Sie zeigte auf den Schatten und die Stiefel.
»Doc Martens. Werden gerne von
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