Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
plötzlich an ein Abbild der Jungfrau Maria denken, die er als Kind in Deutschland gesehen hatte. Die Einheimischen behaupteten, sie würde Tränen aus Blut weinen. Im Augenblick fühlte es sich an, als würde Ida Marie das Bett mit Blutstränen benetzen, und ein sehr realer, stechender Schmerz durchfuhr ihn.
»Du solltest dich mit Vohnsen treffen, damit ihr die Details klären könnt«, sagte er, um seine Hilflosigkeit zu überspielen. »Wenn ein Arztfehler vorliegt, muss das natürlich untersucht werden.«
Was bedeutete es, so eine Untersuchung ins Leben zu rufen? Würden sie dafür in die USA reisen müssen? Würden sie genötigt sein, Dorothea Svensson zu exhumieren, um eine viel zu späte Obduktion vorzunehmen? Wie sah die Prozedur in diesen Fällen aus?
»Ich vermisse sie so sehr«, schluchzte seine über alles Geliebte an seinem Hals. »Sie war eine Hexe, aber ich habe sie trotzdem geliebt.«
|168| Er küsste sie und stand auf. Gern hätte er sie und auch sich auf andere Weise getröstet, aber er musste sich damit begnügen, ihnen einen starken Kaffee zu kochen.
Jan Hansen und er hatten nach der Morgenbesprechung einen Termin mit dem Barkeeper von der Kneipe auf dem Åboulevarden.
Der Barkeeper sah aus, als würde er eine Trittleiter benötigen, um hinter dem Tresen überhaupt gesehen werden zu können. Wagners erster Gedanke war, dass der Mann eine berufliche Vergangenheit als Jockey gehabt hatte. Er war auffällig klein und sehnig und trug eine knallenge Jeans und ein ebenso engsitzendes T-Shirt. Seine Bewegungen waren überraschend schnell, so als würde er unablässig an einem Wettkampf teilnehmen, so viel wie möglich in kürzester Zeit zu erledigen. In diesem Falle Stühle auf die Tische zu stellen, um den Boden zu fegen und, so vermutete Wagner, einmal durchzuwischen, bevor die ersten Gäste kamen.
Ryan Jones war Ire, aber seit fünfzehn Jahren wohnhaft in Dänemark.
»Raten Sie selbst, wie es mich hierher verschlagen hat«, sagte er und setzte sich auf einen der Tische. Es schien ihm ganz offensichtlich schwerzufallen, stillzusitzen.
»Eine Frau«, schlug Hansen vor.
»Yep! You got it! Blondine mit allem Drum und Dran!«
Die dänischen Frauen müssen für so einiges herhalten, dachte Wagner, während er die Fotos von Mette Mortensen und Arne Bay aus der Tasche zog.
»Sie hatten vergangenen Samstag Dienst, soweit ich weiß. Können Sie eine oder mehrere der Personen auf diesen Fotos wiedererkennen?«
Ryan Jones nickte.
»Die sind gegen ein Uhr nachts zusammen gekommen.«
»Und was geschah dann?«
Jones nahm das Foto von Mette Mortensen und sah es sich genauer an.
|169| »Das ist das Mädchen vom Fußballstadion, oder?«
Wagner nickte.
»Poor girl. Ich wusste, dass ich sie schon einmal gesehen hatte, als ich das Bild in der Zeitung sah, aber ich konnte mich nicht erinnern wo.«
»Erzählen Sie, was Sie über sie wissen«, bat ihn Hansen.
Jones sah vom Foto hoch.
»Sie wirkte so … lebendig. Hatte supergute Laune. Die beiden trafen ein paar Freunde, die dort drüben in der Ecke saßen.«
Er zeigte in die Richtung.
»Wessen Freunde?«, hakte Hansen nach. »Seine oder ihre?«
»Seine. Ganz eindeutig seine. Sie kommen oft hierher. Fußballfans, you know. Rechtsgerichtet!«
Er hatte Schwierigkeiten, das Wort korrekt auszusprechen, und ihnen wurde eine sympathische Variante angeboten.
»Es kommen viele verschiedene Leute hierher«, fügte er hinzu. »Vor allem Fußballinteressierte. Wir haben drei Großbildleinwände und Beamer, das beste Angebot in der Stadt!«
Das sagte er mit Stolz in der Stimme, und Wagner konnte das sogar verstehen. Die Kneipe hatte schließlich keine Schuld daran, dass Fußball für einige Menschen den Vorwand für Gewalt bot.
»Können Sie sich erinnern, wie lange sie in etwa hierblieben? Was sie getrunken haben? Und wer bezahlt hat?«, fragte er.
Ryan Jones hatte den Versuch stillzusitzen aufgegeben und begonnen, die noch freien Tische mit einem Tuch abzuwischen, das er vom Tresen holte.
»Die blieben, bis wir dann um 2 Uhr geschlossen haben. Das taten viele. Die wollten sich wohl alle richtig einheizen für das große Spiel am nächsten Tag. Auf jeden Fall haben die ziemlich viel Bier getrunken.«
»Und die Frau? Hat sie auch Bier getrunken?«, fragte Hansen.
Jones nickte.
|170| »Sie haben sich abgewechselt, Bier zu holen. Die haben zwischendurch ganz schön Lärm gemacht und rumgebrüllt. Außerdem war ja auch der Neue dabei.«
Hansen und
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