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Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman

Titel: Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elsebeth Egholm
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zarter, unglücklicher Protest, dem sie sich im Alter von sechzehn und vollkommen erschöpft von der Geburt nicht stellen konnte. Erst viel später.
    Eigentlich wollte sie nicht so neugierig sein. Aber trotzdem hätte sie so gern gewusst, ob ihn die Fanfare oder das leise Gewimmer in seinem Leben begleitet hatte. Etwas in ihr sagte, dass |188| es Ersteres gewesen war. Dieselbe Stimme sagte ihr auch, dass er ansonsten nicht überlebt hätte. Wenn er es denn überlebt hatte.
    Er hatte recht. Man konnte sich ohne weiteres von Gefühlen davontragen lassen. Aber es gab keinerlei Anlass, das vor einem Mann zu tun, den man gar nicht kannte. Er war ein Fremder und hatte es unmissverständlich ausgedrückt, dass er auch ein Fremder bleiben wollte. Das war vermutlich die beste Ebene, auf der sie mit dieser Situation umgehen sollte, wenn sie dazu in der Lage war.
     
    »Glauben Sie bloß nicht, dass ich auf der Suche nach einer Mutter bin«, hatte er gesagt und dabei die Zeitung erneut auf der Seite mit ihrem Artikel aufgeschlagen und mit dem Finger auf ihr Foto getippt. »Ich nehme allerdings auch nicht an, dass Sie auf der Suche nach einem Sohn sind, so eine hartgesottene Journalistin wie Sie!«
    Er schob die Zeitung beiseite.
    »Dieses ganze sentimentale Gehabe mit leiblichen Eltern und Seine-Wurzeln-Finden und so was war nie meins. Ich will von dir nichts in dieser Richtung.«
    «Was?«, traute sie sich zu fragen. »Was wünschst du dir nicht von mir?«
    Er tippte erneut aufs Foto.
    »Gefühle …«
    Ein anderes Wort hing noch in der Luft, wurde aber nicht gesagt. Er ließ seinen Blick durch den Saal schweifen.
    »Das liegt nicht in meiner Natur. Ich brauche nur eine einzige Sache von dir und das ist eine Niere.«
    Ihre Blicke trafen sich.
    »Ich habe kein Interesse an einer Erklärung, warum du mich nicht haben wolltest. Aber du schuldest mir was. Danach wirst du nie wieder etwas von mir hören. Dann bin ich
gone
. Weg.
Disparu
. Für immer aus deinem Leben.«
    Das war zu viel auf einmal. Sie hatte keine Ahnung, was sie |189| sagen sollte. Sie musste schlucken, hatte das Gefühl zu versinken und suchte nach etwas, woran sie sich festhalten konnte. Der Fall, dachte sie plötzlich. Es gibt doch noch den Fall.
    »Du hast gesagt, du hättest Informationen für mich.«
    Sie schaffte es, ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu lenken, so wie man einen Supertanker manövrierte. »Wenn wir ein Tauschgeschäft machen, ist es nur fair, wenn du mir eine Geschmacksprobe gibst. Du hast gesagt, es sei kein Serienmörder am Werk gewesen. Was ist es dann?«
    »Ziehst du das mit der Niere in Erwägung?«
    Sie nickte. Ihr Gehirn hatte die Frage zwar verstanden, aber ihre Gefühle waren ausgeschaltet.
    Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Etwas in dieser Bewegung drückte bei ihr einen Knopf. Das war Rose. Es war Roses Art, einen Kaffeebecher an die Lippen zu führen. Dieses unbewusste Abspreizen der drei letzten Finger, obwohl es bei ihm kontrollierter aussah, als würde er versuchen, seine Feinmotorik zu steuern. Allerdings erfolglos.
    Er war Roses Halbbruder. Würde sie ihn gerne kennenlernen? Sollte sie Rose von ihm erzählen? Was war mit ihm? Woraus bestand sein Leben außerhalb von Gefängnis und Nierenkrankheit? Gab es jemanden, den er liebte? Gab es jemanden, der ihn liebte?
    Schweißtropfen rannen unendlich langsam unter dem T-Shirt über ihre Haut. Sie wollte nicht länger dableiben, aber konnte sich nicht aufraffen und gehen. Vor allem, wie floh man vor sich selbst?
    »Ich habe vor einem halben Jahr mit einem Mann die Zelle geteilt. Er wusste etwas, was dich sehr interessieren wird«, sagte er plötzlich.
    »Wer ist das? Wo ist er jetzt?«
    Er kostete seine Pause aus, bevor er fortfuhr.
    »Sein Name hat keine Bedeutung. Er ist schon längst entlassen worden, ich habe keine Ahnung, wo er ist. Was ich dir allerdings sagen kann, ist Folgendes: Es gibt Angebot und Nachfrage. |190| Es gibt Menschen, die bereit sind, für diese Waren zu bezahlen, und es gibt Menschen, die bereit sind, sie zu besorgen. Das ist kein Serienmörder. Das ist ein Geschäft. Und in dem Scheißbusiness stecken Millionen.«
    »Woher weiß ich, dass du keinen Quatsch erzählst? Woher soll ich wissen, ob ich dir vertrauen kann?«
    Sie tastete nach einem Sicherheitsnetz, das aber nicht gespannt war. Und das wusste sie nur zu gut.
    Seine lapidare Antwort lautete: »Das kannst du nicht. Ist das nicht herrlich? Du kannst dir bei absolut nichts von alledem sicher

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