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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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anderen. Anstatt in einer Clique über den Campus zu gehen, wie einige der anderen neun es taten, blieb Hayden für sich allein. Er sah sich nicht als etwas Besonderes an, er versuchte nicht, andere mit seinem Wissen über Bücher zu übertrumpfen. Tatsächlich hatten die wenigsten auch nur gewusst, dass Hayden wirklich Englisch im Hauptfach studierte, bis er im Abendkurs aufgetaucht war in einem Pavement-T-Shirt und zerrissenen Jeans. In der vorderen Jackentasche trug er immer einen zusammengerollten Roman im Taschenbuchformat.
    »Und welche Recherche ist das, Mr Hayden?«, fragte Aldiss.
    »Eine Recherche über Sie. Über das, was Sie getan haben.«
    Der Professor zuckte nicht mit der Wimper. »Das sollten Sie nicht tun.«
    Hayden grinste. »Wollen Sie nicht wissen, was ich herausgefunden habe?«
    Aldiss streckte die Hände aus, Handinnenflächen nach oben: Wie Sie möchten .
    »Es gibt ein ›Wahre Verbrechen‹-Buch über Ihren Fall. Es heißt Der verrückte Professor . Haben Sie es gelesen, Dr. Aldiss?«
    »Nein.«
    »Ich habe es letzte Nacht gelesen. Das ganze Buch. Ich konnte nicht aufhören. Ich musste genau wissen, was Sie getan haben, bevor ich wieder in den Kurs komme. Der Autor glaubt, dass Sie bösartig sind. Dass Sie vielleicht ein Genie sind, aber dass Ihr Verstand Ihnen etwas angetan hat. Sie irgendwie verändert hat. Viele andere sagen dasselbe.«
    »Andere?«
    »Ihre Gegner. Diejenigen, die denken, Sie sollten diesen Kurs nicht halten.«
    »Und was denken Sie, Mr Hayden?«
    »Ich denke …« Der Junge zögerte. Sein Blick fiel nach unten, auf den Notizblock, der immer noch ungeöffnet auf seinem Schreibtisch lag. »Ich denke, dass Sie ein böser Mann waren«, fuhr er fort, seine Stimme kaum ein Flüstern. »Sie haben einige sehr schlimme Dinge getan. Sie haben Menschen verletzt, Leben zerstört. Kann man alles nachlesen. Der Killerprofessor. Das Mördergenie. Man nennt Sie den Buchmann.«
    Aldiss nickte nachdrücklich. Dann sagte er: »Gut. Ich wollte mit Ihnen nicht darüber sprechen, aber wenn ohne mein Wissen recherchiert wird, dann scheint mir, dass ich das doch tun muss. Lassen Sie mich nur eines sagen: Ich bin schuld daran, zwei Mädchen ins Grab gebracht zu haben. Ich verbringe jede Nacht in dieser Anstalt damit, über den verstörten Mann nachzudenken, der ich als junger Professor an der Dumant University war. Und alles, was ich Ihnen sagen kann, ist, dass der Verstand ein verschlossener Raum ist, das Gewissen ist der Schlüssel, und manche von uns haben den Schlüssel vor langer Zeit weggeworfen.«
    »Empfinden Sie Reue?«
    Hayden noch mal. Und in diesem Augenblick sahen die Studenten zum ersten Mal, wozu ihr Professor fähig war. Seine Genervtheit über den Jungen wurde zu etwas anderem, etwas wie Raserei, heiß und widerlich, in seinen Augenwinkeln. In der nächsten Sekunde war es auch schon wieder weg.
    »Reue ist nur ein Wort unter vielen, Mr Hayden.«
    »Aber Sie haben zwei Menschen ermordet! Sie haben zwei unschuldige Frauen umgebracht, und Sie haben diese Bücher um sie …«
    »Niemand kennt die gesamte Geschichte dessen, was in Dumant geschehen ist«, sagte Aldiss. »Niemand wird sie je kennen. Zu sagen, dass ich bereue«, das Wort wurde ins Mikrofon vor ihm gespuckt, »würde bedeuten, zurückzukehren und meine Verbrechen erneut zu erleben, und das werde ich nicht tun. Nicht hier, nicht jetzt.«
    Einen Augenblick schien es, als hätte Hayden alles gesagt, was er sagen wollte. Aber dann schaute er noch einmal auf den Fernseher und sagte: »Da waren doch nur diese zwei, oder?«
    Aldiss blinzelte ruhig, als hätte er genau diese Frage vorhergesehen.
    »Die Opfer, von denen man weiß«, fuhr Hayden fort. »Die zwei Studentinnen, Sie haben doch niemanden sonst umgebracht, oder?«
    Der Professor wischte mit einer Hand über den Mund und sagte in einer Stimme so scharf wie Glas: »Ich lasse mich nicht von einem Studenten verhören.«
    Damit gab der Junge nach. Er nickte, mehr zu sich selbst als zu jemand anderem, und legte seine Ausgabe von Die Windung auf seinen Notizblock. Dann stand er auf und ging zum Fernseher. Dort blieb er stehen und sagte etwas zu Aldiss, was niemand sonst im Kurs verstand, weil er ihnen den Rücken zuwandte, und er ging zur Tür hinaus.
    Einen Augenblick lang sagte niemand etwas.
    Als Hayden gegangen war, meinte der Professor mit gleichmäßiger und ruhiger Stimme: »Da waren’s nur noch acht.«
    Es gab verlegenes Gelächter. Jemand hustete nervös. Ein paar

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