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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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Beerdigung zurückkommen, müssen sie irgendwo schlafen.«
    »Ja.«
    Er meinte die Studenten des Abendkurses, die inzwischen auf dem Weg nach Jasper waren. Die meisten von ihnen lebten immer noch in Vermont, während sich Sally Tanner natürlich bereits auf dem Campus befand. Während der Telefonate war Alex bewusst geworden, wie leicht das, was Aldiss vorgeschlagen hatte, sein würde. Wie leicht es war, sie zusammenzubringen.
    »Ich möchte, dass sie hier wohnen.«
    Alex stutzte. »Hier?«
    »Ich möchte ihnen Nähe bieten«, erklärte Fisk. »Es ist eine Zeit der Trauer, Alex, und wenn wir trauern, müssen wir alle zusammenrücken. In meinem Haus ist mehr als genug Platz. Ja, es ist alt. Es trieft vor Geschichte. Aber sie kennen es. Ihr könnt alle wieder Kontakt knüpfen, ähnlich wie damals, als Daniel Hayden …«
    »Ja«, unterbrach sie. »Ich werde Ihre Einladung weiterleiten.«
    Und dann nickte der Dekan, was bedeutete, dass es Zeit für sie war zu gehen. Sie ging einen dunklen Flur entlang, der zum Ostflügel des Anwesens führte und bis ins Herz des alten Hauses.
    Die Luft hier war muffig, abgestanden. Die Fußbodendielen knarrten unter ihren Schritten, und über ihr hingen silbrige Spinnweben an den Wänden. Diese Wände hatten Risse, durch die der Putz zu sehen war, der noch weiter in die Dunkelheit zu führen schien. Sie wusste genau, wohin sie ging, sie hatte viele Tage in diesem Haus verbracht, als sie in Jasper studierte.
    Stanley Fisk, damals ein agiler Achtzigjähriger, war während des Abendkurses ihr Verbündeter gewesen. Er hatte ihr gezeigt, wie man den Text, der Richard Aldiss war, las, und sie würde für immer in seiner Schuld stehen. Wenn Alex die berühmteste Abgängerin von Jasper war, dann auch seinetwegen. Wenn er wollte, dass die Studenten in diesem verfallenden Anwesen übernachten, wer war sie, um zu widersprechen?
    Es würde ihre Arbeit leichter machen.
    Nachdenklich ging sie weiter.
    »Jemand ist hier.«
    Alex drehte sich um. Hinter ihr stand der Pfleger.
    »Wer ist hier, Matthew?«, fragte sie und nannte seinen Namen, als wäre er ein Student, der sich in einem Seminar gemeldet hat.
    »Eine Frau. Sie möchte Sie sehen. Sie sieht geschockt aus.«
    Sie sah ihn an. Er war älter, als sie gedacht hatte, seine Haut so blass, dass sie durchsichtig wirkte. Sie fragte sich, warum er hier war. Um den Dekan am Leben zu halten, um das Unausweichliche hinauszuschieben? Und was weiß er wohl, dachte sie fast mit schlechtem Gewissen, über die Besitztümer des Dekans?
    »Sagen Sie ihr, ich bin im ersten Stock.«
    »Natürlich, Dr. Shipley.« Dann kannte er also auch ihren Namen.
    Der Pfleger ging, das Knirschen seiner Turnschuhe verschwand den Flur entlang, und Alex betrat ein Zimmer zu ihrer Linken. Es war ein Relikt aus einer anderen Zeit: Zwei gepolsterte Sessel, mit einem Laken bedeckt, standen mitten im Raum, an der hinteren Wand befand sich ein Bücherregal, ein kleiner Rothko hing etwas schief. Das Zimmer war einmal nagelneu gewesen, damals als Stanley Fisk über den Campus herrschte und alle Entscheidungen des Colleges von ihm gefällt wurden. Er war als Literat bekannt, was unter den Collegehonoratioren etwas Neues war. Er gab Partys, zu denen Philip Roth und Joan Didion kamen, und erfand die Literaturfakultät neu, lange bevor Aldiss für diesen merkwürdigen und experimentellen Abendkurs verpflichtet wurde. Fisk war das Jasper College, und wie dieses Zimmer und seine jämmerlichen Möbel war der Mann beinahe völlig vergessen worden.
    Ich möchte, dass sie hier wohnen . In seinem Anwesen im viktorianischen Stil, das in den 1960er Jahren extra für Fisk gebaut worden war, gab es siebzehn Räume, wovon die meisten heute leer standen. Zweifellos genug Platz, um die zurückkehrenden Studenten zu beherbergen und Alex freie Hand zu geben, um Aldiss’ Anweisung zu befolgen.
    Sie ohne ihr Wissen zu beobachten.
    Sie ging weiter in das Zimmer, trat in den schmalen Lichtstrahl, der durch ein Fenster fiel. Sie betrachtete die Bücherregale. Noch mehr Fallows, einige von Aldiss’ Gefängnistexten. Sie nahm ein Buch heraus und schüttelte es, vielleicht in der Hoffnung, es fiele etwas heraus. Eine Seite, ein Schlüssel? Nichts. Das Manuskript, der dritte Fallows, musste irgendwo sein. Lewis Prine hatte ihr versichert, dass es sich in diesem Haus befand: Derjenige, der mir diese Seite geschickt hat, sagt, dass Fisk den Rest besitzt. Er hatte ihr die Seite vor vier Jahren geschickt, kurz nach dem

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