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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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Lachen, und als sie aufschaute, sah sie, dass Aldiss es gehört hatte. Er blickte sie direkt an, und ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, aber der Professor lächelte nur.
    »Charles Rutherford schrieb tatsächlich ein Buch«, fuhr Aldiss schließlich fort. »Man hat Teile des Manuskripts nach seinem Tod in seiner Aktentasche gefunden. Aber es war ein seltsames Buch, nicht wie das, wofür Paul Fallows berühmt werden sollte.«
    Der Professor sah auf seinen Tisch, raschelte noch etwas mit seinen Notizen und suchte dann ein Blatt Papier heraus.
    »Oder doch?«
    Eine schnelle Bewegung – und das Abbild des Professors war nicht mehr auf dem Bildschirm zu sehen, stattdessen ein vergilbtes Dokument, das er in die Kamera hielt. Eine verknitterte Seite, dem Aussehen nach Jahre alt, Äderchen liefen über das Blatt wie die Wirbel eines Fingerabdrucks. Alex las, was da stand, sah, dass es mit einer Schreibmaschine geschrieben worden war. Die Seite war schwer vor runden Markierungen und grau gewordenen Korrekturbändern. Es schien – wie merkwürdig , dachte sie. Es war ein Lexikoneintrag.
    »Rutherford hat sein eigenes Lexikon geschrieben?«, sagte ein Junge ganz hinten. Das war Christian Kane, der schmale Typ mit der Jeansjacke. Kane war der Autor in ihrem Kurs; er schrieb Stephen King-artige Kurzgeschichten und veröffentlichte sie im Jasper College Literaturmagazin The Guild . Kane kleidete sich wie die berühmten französischen Bohemiens, mit zurückgekämmten silbrigen Haaren, Oxford-Hemden und bunten Schals. Seine Geschichten waren so bizarr und gewalttätig, dass viele sich fragten, ob er nicht ein geheimes Doppelleben führte und auf seiner Privatschule in Delaware nicht irgendwie direkte Erfahrungen mit seinen makabren Themen gemacht hatte.
    »Das stimmt, Mr Kane«, sagte Aldiss. »Er hatte gerade mit dem Band begonnen, als er das Zeitliche segnete. Nur ein paar Einträge. Wie Sie sehen, war er noch beim Buchstaben A. Aber dieses Lexikon unterschied sich so sehr von dem von Funk & Wagnalls, das er an der Tür verkaufte. Dieses Buch war ungewöhnlich. Es schien über Charles Rutherford selbst zu sein, über seine eigenen Erfahrungen, die Dinge, die er tat, und die Menschen, mit denen er jeden Tag sprach, wenn er seine Ware verkaufte. Zuerst war die Grenze zwischen dieser amateurhaften schriftstellerischen Nabelschau und den labyrinthischen Texten Fallows’ voller Rätsel in Rätseln klar. Aber als die Forscher tiefer gingen, sahen sie, dass Rutherfords Lexikon selbst eine Art von Rätsel war.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Michael Tanner.
    »Ich meine, dass Rutherford ein Spiel zu spielen schien. Ein Spiel mit sich selbst vielleicht, aber vielleicht auch nicht. Sehen Sie sich das an.«
    Aldiss hob ein weiteres Blatt hoch, dem ersten sehr ähnlich. Das Papier sah so alt und benutzt aus, dass Alex das Gefühl hatte, sie könne dessen muffigen Geruch wahrnehmen.
    »Das ist einer der letzten Einträge. A, Albridge . Unter diesem Titel folgt die kurze Beschreibung einer Stadt. Albridge, Iowa, zweitausend Einwohner. Eine Stadt mitten im Nichts, nicht weit von dem Ort entfernt, an dem Rutherford lebte und arbeitete. Aber was ungewöhnlich ist, wenn man sich eine Karte von Iowa ansieht …«
    »Existiert sie nicht.«
    Wieder war es Keller. Alex sah, wie schnell er war, wie er jeden anderen im Kurs beim Antworten schlug. Wohingegen ihr Verstand, so quälend langsam, sich viel vorsichtiger bewegte. Bewusster. Sie blickte Keller wieder an, schaute hin und wollte, dass er sie ansah.
    »Albridge, Iowa, ist tatsächlich fiktiv«, sagte Aldiss. »Es fand sich damals auf keiner Karte und heute immer noch nicht. In seinem ›Lexikoneintrag‹ behauptet Rutherford, dort gewesen zu sein. Dass er ein paar Einwohnern Lexika verkauft habe. Dass er in einem kleinen Diner nahe dem Marktplatz gegessen habe. Aber nichts davon war real. Und mit diesen Informationen im Hinterkopf müssen wir eine größere Frage stellen.«
    Einen Augenblick lang war der Kurs still, hyperaufmerksam. Sie hingen an Aldiss’ Lippen. Er führte sie jetzt zu etwas Neuem, näher an eine Verbindung zwischen Charles Rutherford, dem toten Mann, dessen Bild auf den Büchern erschienen war, und Fallows selbst. Das einzige Geräusch im Hörsaal war das elektrische Rauschen und Knistern des Fernsehers.
    »Warum?«, fragte Alex.
    Aldiss sah sie wissend an. Seinen Augen schien nichts zu entgehen, nicht das kleinste Detail. Augen, die einmal zu einem jungen, offensichtlich

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