Der Menschenspieler
wieder die Stimmen der Besten und Klügsten in meinem Haus zu hören.«
Er drehte den Kopf und suchte blind nach Owen, und Alex sah einen kurzen Ausdruck des Abscheus auf dem Gesicht des Pflegers. Dann wendete Fisk seinen Rollstuhl und rollte aus dem Zimmer. Owen holte ihn ein und schob den alten Mann in die Schatten des Hauses.
Als der Dekan fort war, stand Sally auf und sagte: »Ich mache mich lieber auf den Weg. Es ist fast Schlafenszeit für Rachal.« Sie meinte die Tochter der Tanners, und Alex schüttelte den Kopf beim Gedanken an das kleine Mädchen, das vaterlos aufwuchs. Alex wusste, wie schwer das in jedem Alter war.
Die anderen umarmten ihre verwitwete Freundin, und Sally stand inmitten von ihnen, zitterte, als könne sie vom Rand der Welt rutschen. Sie beruhigte sich schließlich und ging hinaus. Als sie an Alex vorbeiging, nickte sie ihr kalt zu.
Der Rest sprach freier, als dieser Schatten einer Frau gegangen war; ihre Geschichten während dieser improvisierten Totenwache wurden heftiger. Alex versuchte, die Gespräche zu analysieren, Informationen zu finden, die ihr bei ihrer Aufgabe helfen könnten. Aber da war nichts. Es erschien ihr unwahrscheinlich, dass einer dieser Menschen Michael verraten, geschweige denn ermorden würde. Sie wirkten auf sie wie bei Daniels Beerdigung: Verlegen durch die Trauer bemühten sie sich, die Stille, in der sie sich die Leiche, die Bibliothek, die Decke aus Büchern vorstellten, zu füllen. Sie sind nur alte Freunde, Alex. Aldiss hat dich an der Nase herumgeführt, er hat dich verschaukelt. Wenn du heute Abend zu ihm gehst, musst du …
Hinter ihr zirpte ein Handy. Sally, die an der Tür ihre hochhackigen Schuhe anzog, klappte das Telefon auf. »Hallo?«, sagte sie. Dann hörte sie zu, und Alex beobachtete die Frau aus den Augenwinkeln. »Ich kann jetzt nicht reden«, flüsterte sie. »Es ist kein guter Moment.« Sie klappte das Telefon zu und ging hinaus in den Abend.
Alex entschuldigte sich und ging die Treppe hinauf in ihr eigenes Zimmer.
Das Gerede über Aldiss vorhin hatte sie aufgeregt. Sie wusste, dass der Professor unschuldig war an den Morden in Dumant. Schließlich waren es ihre Ermittlungen gewesen, die zweifellos bewiesen hatten, dass Aldiss diese Verbrechen nicht begangen haben konnte.
Aber was, wenn es Fehler gegeben hatte? Was, wenn Aldiss den Abendkurs manipuliert hatte und er jetzt den Mord an Michael Tanner manipulierte?
Nein. Auch dieses Mal war Aldiss unschuldig. Er war unschuldig, und irgendjemand in diesem Haus kannte die Antwort, die sie zu Michaels Mörder führen würde.
Alex ging den dunklen Korridor entlang. Das Haus war ruhig hier oben im ersten Stock, nur das leise Gemurmel der Gespräche der anderen erreichte sie. Sie ging tiefer in das Haus hinein, ihre Hand an der Wand führte sie in die Dunkelheit. Einen Schritt nach dem anderen, die Dielen kündigten jeden ihrer Schritte an. Ist es hier oben? , dachte sie. Hat er es in diesen …
Ihr Handy vibrierte.
»Hallo?«
»Dr. Shipley, hier ist Detective Black.«
Ihr Gesicht wurde heiß. Sie haben etwas gefunden .
»Können Sie mich in zwanzig Minuten auf dem Campus treffen?«, fragte Black.
»Natürlich. Worum geht’s?«
»Nichts Besonderes«, sagte er. »Ich möchte Ihnen nur etwas zeigen, von dem ich annehme, dass es Sie interessiert.«
»Bis gleich.« Sie legte auf.
Alex ging weiter den Flur entlang. Sie dachte: Antworten . Es gab schließlich viele Gründe, wieder nach Jasper zurückzukehren, Gründe, die wenigstens ein bisschen egoistisch waren. Mit pochendem Herzen und rauschendem Blut betrat sie ein Zimmer im Hauptkorridor.
Es war ein weiterer mit Büchern gefüllter Raum; die Regale bogen sich unter dem Gewicht von Bänden, die seit Jahren nicht mehr angefasst worden waren. Dieser Raum, wie so viele andere in diesem Haus, war fast von den Büchern übernommen worden. Aber Alex konnte ein Schema erkennen: Anstatt sie wild wuchern zu lassen, hatte Fisk sich bemüht, sie nach Stilrichtungen oder Epochen zu ordnen. Darin war er überhaupt nicht wie Aldiss.
Sie trat über die Schwelle und schaltete die einzige Lampe im Zimmer an; den Regalen näherte sie sich mit Ehrfurcht. Sie fuhr mit einer Hand über die Rücken und sah genau zwischen die Bände, ob da nicht ein Manuskript versteckt war.
Sie begann mit William Wordsworth und den Romantikern, Whitman und den amerikanischen Dichtern, Hazlitt und den Kritikern, dann weiter zu den Modernisten. Dieses Regal war weniger
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