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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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benutzt, um sie auf die Wand zu bringen. Aber auch so schlicht, dass sie von einem Kind stammen könnten.
    »Beachten Sie noch einmal, wie akribisch er war«, sagte Black, seine Stimme drang aus großer Tiefe herauf. »Alles ist identisch, genau wie in den Wohnungen in Dumant, bis hin zum Fleck an der Wand. Und die Bücher …«
    Alex untersuchte die Bücher. Zuerst war da ein Durcheinander, aber als sie genauer hinsah, sah sie, wie sorgfältig sie zu einem Muster angeordnet worden waren. Sie waren nicht einfach auf den Boden geworfen worden, sondern waren pedantisch platziert worden wie Instrumente auf einem Operationstablett. Aber sie konnte sie sich nicht genau anschauen, wollte es nicht, die Bücher waren irgendwie schlimmer, als hätte sie Michael Tanners Leiche gesehen.
    »Das über seinen Augen«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Was war es?«
    »Fallows«, sagte Black. »Die Windung.«
    Natürlich.
    »Er will, dass wir an Dumant denken«, fuhr Black fort. »Das hier ist eine genaue Kopie, eine Art Wiederaufbereitung. Eine Wiederholung. Werden Sie uns helfen, Dr. Shipley?«
    »Ja«, sagte sie schwach. Diese Wohnung, besonders dieses Zimmer, hatte sie überzeugt. Ihr Hals war knochentrocken, ihre Hände verkrampften sich, und die Fingernägel bohrten sich in ihre Handinnenflächen. Vorher war es eine Tragödie gewesen; jetzt, da sie inmitten all dieser Bücher stand, eine Flut um sie herum, sah sie, was es wirklich war: Ekel. Wut, schnell und heftig, drang an die Oberfläche. Sie wollte ausspucken, die Titelseiten von den Büchern reißen und Antworten von ihnen verlangen, die furchtbare Sinnlosigkeit des Tintenkleckses an der Wand verbergen, der jetzt ein Auge zu sein schien, eine Kamera, die sie anstarrte. In sie hineinstarrte. »Ja, das werde ich.«
    Black nickte, und Alex stand auf, wobei sie noch einen letzten Blick auf die Zerstörung in der Bibliothek warf. Wie konnte es sein, dass niemand ihn hat kämpfen hören? , fragte sie sich, als sie an dem Detective vorbeiging. Wieso hat ihn niemand gerettet?
    Black sah auf, er hockte auf dem Boden. »Wo gehen Sie hin?«
    »Ich muss jemanden treffen.«
    »Und wen?«
    »Richard Aldiss«, sagte Alex, und dann verließ sie diesen entsetzlichen Raum und die Geister, die er nicht aufgeben wollte.

Der Kurs
    1994
    15
    Als alle bereit waren, lehnte Aldiss sich vor und betrachtete den Hörsaal, wie er es oft am Anfang des Kurses tat. Seine gesichtslosen Wächter standen wie immer hinter ihm Wache. Ihre schwarzen Hosenbeine waren glatt und gebügelt.
    »Wir haben unsere Reise jetzt richtig begonnen«, sagte er schließlich. »Wir sind auf dem besten Wege herauszufinden, wer Paul Fallows wirklich ist.«
    »Warum sagen Sie es uns nicht einfach?« Melissa trug ein Pixies-T-Shirt und eine zerrissene Jeans, die anstatt von einem Gürtel von einem Schlips zusammengehalten wurde. Die schwarzen Lippen des Mädchens glänzten, ihr dunkles, fettiges Haar hing über stechenden olivenfarbenen Augen. »Wenn Sie seine Identität kennen, wie Sie behaupten, warum enthüllen Sie sie nicht einfach?«
    »Ich stimme ihr zu, Professor«, sagte Michael Tanner, der neben Lee saß. Er war ein dünner, zerbrechlicher Junge, der durch seinen weiten Pullover und seine scharfen Gesichtszüge noch zerbrechlicher wirkte. Es gab Gerüchte über Tanner und Lee – eigentlich gab es Gerüchte über Lee und so ziemlich jeden Kerl auf dem Campus und auch ein paar Frauen –, und Alex bemerkte, wie nah ihre Ellbogen sich waren, wie dicht nebeneinander sie saßen. »Sagen Sie uns einfach, was Sie glauben, wer er ist. Diese Scharade, dieses …«
    »Spiel.«
    Es war Keller, der das Wort eingeworfen hatte, und niemand widersprach. Kein Rätsel, wie der Titel des Kurses vermuten ließ, sondern etwas viel Komplexeres. Etwas, das ganz von Aldiss’ Launen abhing.
    »Das stimmt«, sagte Daniel Hayden. »Es ist ein Spiel . Und es wird ein bisschen langweilig, finden Sie nicht?«
    »Ganz und gar nicht.«
    Es gab nur drei Frauen im Kurs, Alex, Lee und Sally Mitchell. Mitchell hatte soeben gesprochen. Ein ruhiges farbloses Mädchen – nicht so eigensinnig wie Alex oder so skandalumwittert wie Lee, war Mitchell der vergessene Star der Englischfakultät. Sie stammte aus Burlington, Vermont, und wie Alex war sie deswegen gebrandmarkt. Aber im Gegensatz zu Alex war sie nicht oft auf dem Campus zu sehen, sie ging nicht zu den Partys der Verbindungen oder zu den spontanen Treffen, die die Englisch-Professoren auf der

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