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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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Seitenrand. Sie lehnte sich nah an den Bildschirm, der billige Plastikstuhl kratzte über den Fußboden.
    Vor kurzem hat Shawna mit ihrer Dissertation begonnen. Unter der Anleitung ihres Lieblingsprofessors hat sie angefangen, Bücher auf eine Art zu lesen, die sie sich nie hatte vorstellen können. »Dr. Aldiss hat mir so viel beigebracht«, sagte sie. »Er möchte, dass ich zur Recherche nach Iowa fahre, genau wie er, als er noch Student war. Falls ich jemanden finde, der mich begleitet, könnte ich mich tatsächlich auf die Reise machen.«
    Zitternd starrte Alex auf den Bildschirm. Jegliche Struktur in dem kleinen, engen Raum hatte sich aufgelöst. Sie war allein. Völlig allein. Jemand ging mit klackernden Absätzen an der Tür vorbei. Sie hörte es kaum.
    Jemand, der mich begleitet …
    Alex griff nach vorn und schaltete das Gerät aus; der Raum wurde dunkel.
    Kurz nach ein Uhr morgens klopfte sie an Kellers Tür. Das Footballwohnheim roch nach Pizza und Kotze und Deospray. Jemand hatte ein Suspensorium an einen Wasseranschluss gehängt. Sie wartete, während ihr Verstand vor unbeantworteten Fragen raste.
    Keller öffnete die Tür, blinzelte ins grelle Flurlicht. Seine Augen waren glasig, seine Haare standen spitz ab. Er trug kein Hemd, und Alex zwang sich, sich auf sein Gesicht zu konzentrieren, seine blutunterlaufenen Augen.
    »Alex, wenn es um die Prozedur geht, dann …«
    »Das Foto, das du gefunden hast«, sagte sie. »Das von Rutherford. Ich glaube, ich weiß, was es bedeutet.«
    »Was sagst du da, Alex?«
    Sie erzählte es ihm in einem atemlosen Durchgang. Sie erzählte ihm alles, was sie in dieser Nacht über Shawna Wheatley erfahren hatte.
    Als sie fertig war, fragte Keller: »Was tun wir jetzt?«
    Sie musste nicht nachdenken. Die Antwort war offensichtlich, lag auf der Hand. Sie war in dem Augenblick offensichtlich gewesen, als sie diesen Artikel auf dem Mikrofiche gefunden hatte, vielleicht sogar schon vorher, als sie dieses seltsame Foto von Charles Rutherford in der Bar gesehen oder als sie diese vergilbten Zeitungsartikel aus Fisks Schatztruhe gelesen hatte. Es hatte nur diesen Anstoß von Daniel Hayden gebraucht, um sie in die richtige Richtung zu führen.
    »Es bedeutet«, sagte Alex schließlich, »dass wir nach Iowa fahren müssen. Aldiss führt uns dorthin.«

Alex
    Gegenwart
    25
    Nach dem Mord an Lewis Prine waren die übrigen Kommilitonen in einem Zimmer oben im Haus eingesperrt worden.
    Es war früher Nachmittag, und Sonnenlicht fiel durch die Vorhänge in der Farbe alten Papiers. Es gab hier einen weiteren Kamin, flankiert von zwei massiven Regalen, und darüber hing eine Holzuhr, die vor langer Zeit auf 3:38 Uhr stehen geblieben war. Christian Kane murmelte fieberhaft etwas von seiner Unschuld: Ja, es war ein Buch, sein Buch, das auf den Augen des Toten gelegen hatte, aber was bedeutete das schon, was bedeutete das, wo doch jeder in diesem Haus eine Ausgabe davon besaß, was bedeutete es, wenn …
    »Es reicht, Christian«, sagte Keller, und der Schriftsteller schwieg wie ein Welpe, der ausgeschimpft worden war. Der Pfleger Matthew Owen stand an der Seite. Seine Hände kneteten die Griffe von Dekan Fisks Rollstuhl. Sally Tanner und Lucy Wiggins standen an entgegengesetzten Enden des Raums, die Witwe erschreckend gefasst, die Schauspielerin nervös Ellipsen in den pelzigen Staub auf dem Kaminsims zeichnend, während Frank Marsden sie unverwandt ansah; ein Hauch von Unglauben lag auf seinem Gesicht. Und aus dem Schatten heraus beobachtete Alex sie alle, wie Aldiss es ihr aufgetragen hatte, und fragte sich, wer von ihnen auf die böse Seite gewechselt war.
    Ein junger Polizist bewachte die Tür, mit verschränkten Armen und einem wachsamen Gesichtsausdruck.
    »Sieh ihn dir an«, flüsterte Keller ihr zu. »Der Junge macht sich vor Angst in die Hose. Kein Wunder, dass sie ihn nicht zur Befragung von Aldiss geschickt haben.«
    Unter anderen Umständen hätte sie gelacht.
    »Warum ist Melissa nicht zurückgekommen?«, fragte Fisk. Hinter dem alten Mann massierte Owen weiter die Griffe des Rollstuhls, seine Bewegungen waren beinahe hypnotisch. Alex versuchte, die schreckliche Erinnerung abzuschütteln, wie Melissas Kopf in seinem Schoß lag und wie er …
    Owen sah sie an – und sie schaute weg.
    »Das weiß niemand«, sagte Keller. Sie war immer noch nicht von der Trauerfeier zurückgekehrt.
    »Melissa hatte nichts mit dieser … Sache unten zu tun«, sagte Christian in annähernd panischem

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