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Der Messingmann

Der Messingmann

Titel: Der Messingmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Asher
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hätte sich die Tränen aus den Augen wischen können.
    »Siehst du«, sagte Skellor, »jetzt, wo die Dschainasubstruktur deinen Körper stützt, kann ich dir das stundenlang antun, ohne dass du einen Schock erleidest oder das Bewusstsein verlierst oder dich aus der Realität zurückziehst. Natürlich könnte ich noch so viel mehr tun, falls ich dein Gehirn und deinen Körper neu verkabelte!«
    Cormac wurde jetzt in seinem Dschainagerüst schwerelos, und langsam spülte schwarzer Raum den Indigohimmel vor der Frontscheibe weg. Schließlich trat das Siedlerschiff ins Blickfeld, und Cormac spürte, wie das Landungsboot abbremste, um anzudocken. Skellor würde ihn jetzt gleich aus dem Boot in das Mutterschiff transportieren müssen; vielleicht konnte Cormac zu diesem Zeitpunkt etwas unternehmen. Er begriff nun, worin das Grauen lag, wenn man moralisch auf dem hohen Ross saß und bereit war, einen so hohen Preis zu zahlen: Es blieb einem nicht erspart, diesen Preis tatsächlich zu entrichten. Er wusste auch, dass Skellor genau diese Moralität zerstören konnte, falls er ausreichend Zeit erhielt: Der Mann konnte Cormac in ein wimmerndes Ding verwandeln, das jeder Laune Skellors Folge leistete; er konnte ihn in das glatte Gegenteil all dessen umformen, was er bislang war, und ihn endlos leiden lassen. Kurz erhaschte Cormac durch die Bollwerke seines Verstandes hindurch einen Eindruck von einer Leere, wo all das, was ihn ausmachte, zunichte wurde.
    Dann jedoch entschied er, dass er weiter so funktionieren musste, als könnte diese Leere niemals existieren - dass er bis zum Letzten ein ECS-Agent bleiben musste.
    Skellors geistige Verbindung zu ihm war sehr eng: Er spürte Gedanken und Erinnerungen herüberschwappen, und er bemerkte, dass dieser Mann kaum eine Ausrede benötigte, um Cormac Schmerzen zu verursachen. Der Agent beschloss, sich mit sarkastischen Bemerkungen zurückzuhalten, um den Mann nicht zu provozieren. Er lenkte auch die aus Skellors Bewusstsein überspringenden Informationen in die Netzverbindung und speicherte sie dort.
    »Was hast du eigentlich vor, außer mir Schmerzen zu bereiten?«, fragte er.
    Skellor warf ihm einen Seitenblick zu, und Cormac entdeckte, wie sich Dunkles unter der scheinbar menschlichen Haut seines Gesichts bewegte. Gewundenes Narbengewebe füllte inzwischen die Löcher, die Cormac mit der Schmalpistole in Skellors Körper gejagt hatte. Diese Löcher klafften auch in etwas, was wie eine barocke Lederpanzerung aussah, aber, wie Cormac jetzt auffiel, tatsächlich Bestandteil Skellors war. Ein Loch an Skellors Taille schien zu einem Krebs entartet: Narbengewebe quoll daraus hervor, ergoss sich über die angrenzenden Bereiche und entwickelte ein pilzartiges Gewächs, das kleine eierförmige Knötchen enthielt. Cormac fragte sich, ob er daran erkennen konnte, dass Skellor die Dschainatechnik nicht vollständig beherrschte, obwohl er für eher wahrscheinlich hielt, dass dem Kerl einfach egal war, wie er aussah.
    »Was ich vorhabe?«, wiederholte Skellor, den die Frage kurz zu verwirren schien. »Vielleicht solltest du versuchen, dir das auszurechnen.«
    Ohne auch nur einen Gedanken darauf zu verwenden, ertappte sich Cormac dabei, wie er die Muskeln rhythmisch gegen die harte Struktur anspannte, die ihn festhielt, genau so, wie er auch gegen konventionelle Fesseln angekämpft hätte. Er überlegte, damit aufzuhören, aber er tat es nicht -musste einfachjede Möglichkeit austesten.
    »Ich weiß aber nicht genug. Ich weiß nicht, wieso du hergekommen bist und nach Drache gesucht hast. Ich weiß nicht, ob dein Hauptmotiv Überleben oder Aggression ist oder etwas, was mir völlig fremd ist.«
    »Mal angenommen, es ist Aggression; was sollte ich tun?«
    »Ich denke nicht, dass ich dir irgendwelche Ideen schenken sollte, die du nicht schon hast.«
    Die erneuten Schmerzen rammten ihn hin und her, sodass er sich unter der fesselnden Struktur wand. Er erhielt die Möglichkeit zu schreien. Presste die Kiefer zusammen, um es nicht zu tun. Mit weit aufgerissenen Augen erblickte er die Welt in erschreckender Klarheit: wie ein Blinder, der Sehvermögen entwickelte, während er auf dem Scheiterhaufen verbrannte. Ein Zeitalter verging, gefolgt von einem weiteren.
    »Beantworte meine Frage.« Skellors Stimme klang aus einer entrückten Realität herüber. Cormac brauchte ein paar Sekunden, um zu bemerken, dass sich die Schmerzen gelegt hatten, und wieder die Steuerung des organischen Gehirns zu übernehmen,

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