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Der Messingmann

Der Messingmann

Titel: Der Messingmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Asher
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fiel ihm allmählich auf, dass der ältere Mann die Schippe mit fast unmöglicher Lässigkeit schwang, während er mächtige Klumpen sandiger Erde aushob und zur Seite wuchtete. Fethan legte eine Pause ein und zuckte die Achseln, als ihm Tanaquils forschender Blick auffiel.
    »Habe früher Abflussgräben auf Masada ausgehoben«, erklärte Fethan.
    Tanaquil nickte, obgleich er es nicht wirklich verstanden hatte. Er bekam die eigene Schaufel nur bis auf halbe Höhe in den Boden und musste sich dann richtig anstrengen, um einen Spaten voll Erde auszuheben. Fethan bekam die eigene Schaufel komplett in den Boden, so mühelos wie in eine Pastete, und jedes Mal bog sich der solide Metallgriff alarmierend durch.
    »Du hast oft mit Drache gesprochen?«, fragte Fethan unvermittelt. »Nein.«
    »Hast du je die Ebene aufgesucht?«
    Tanaquil schüttelte den Kopf. Er konnte nicht sprechen und war dankbar, als Fethan nicht weiter in ihn drang. Gemeinsam brachten sie schweigend ihre Arbeit zu Ende, und sie legten Jeelan auch gemeinsam in das ausgehobene Loch. Ihre Haut war inzwischen kalt. Tanaquil kletterte auf Händen und Knien aus dem Grab und erbrach saure Galle.
    »Ich mache für dich weiter«, bot ihm Fethan an.
    »Nein«, beharrte Tanaquil und machte sich erneut an die Arbeit. Er schippte einen Schwung sandige Erde einmal, zweimal auf Jeelans nackte Leiche und stolperte dann rückwärts. Er bekam hier unten keine Luft. Er konnte in diesem Schatten nicht leben.
    Die Welt schien eine Zeit lang auf Distanz zu gehen. Ein Chaos zuckte vorbei aus verformtem Metall, Treppen, Menschen, die ihm Fragen zubrüllten, während er dahinlief. Der Turm für die Kleinluftschiffe bot ihm endlich eine Zuflucht, und hier, wo niemand um ihn war, bemühte er sich, die innere Spannung freizusetzen. Aber wiederum wollten sich die Tränen nicht einstellen. Stattdessen wurde er ruhig und kalt, wohl wissend, dass dies etwas war, worüber er nie hinwegkommen würde. Er wollte nicht mehr leben, brachte aber auch nicht den Willen zu sterben auf.
    »Erzähle mir von Drache«, drang eine Stimme in seine Wahrnehmung.
    Fethan war in aller Stille hinaus auf die Plattform getreten, neben der das letzte Luftschiff vertäut lag, und vielleicht blieb der alte Mann deshalb ein bisschen auf Distanz, weil er Tanaquil neben einer Säule direkt an der Kante liegen sah, alle viere von sich gestreckt.
    »Er hat die Unterstadt als sein Revier beansprucht, gleich von Anfang an«, sagte Tanaquil und wusste nicht mal, warum er ihm das erläuterte. »Das liegt dreißig Jahre und vier Chefmetalleure zurück.«
    »Das passt mehr oder weniger«, sagte Fethan und betrachtete dabei forschend das Luftschiff. »Die vier Kugeln haben sich vor über fünfzig Solstanjahren getrennt.« Er wandte sich Tanaquil zu. »Das ist die Bezugszeit der Menschenpolis - ein Standard, den man braucht, wenn man zu den Sternen hinausfliegt und dabei Jahrzehnte wie Schuppen hinter sich verstreut.«
    Jetzt wurde Tanaquil wütend, weil der Mann seine Neugier geweckt hatte. »Kugeln? Solstan? Menschenpolis?«
    »Draches ursprüngliche Form war die von vier zusammenhängenden Kugeln, jede mit einem Durchmesser von etwa einem Kilometer. Sie bildeten ein Wesen, das in vier Teile zerbrach. Eine dieser Kugeln kam hierher.«
    Tanaquil erinnerte sich an Visionen aus seiner Zeit der Albträume. Er deutete über die Sandtürme hinweg zur Ebene. »Ich habe ihn aufsteigen und davonfliegen gesehen. Drache ist fort.«
    Fethan war auf einmal neben ihm. »Vielleicht sollten wir hinfahren und nachsehen.« Er deutete auf das Luftschiff.
    Hier lag mehr verborgen als ein Interesse an Drache, dachte Tanaquil. »Warum möchtest du dir das ansehen?«
    »Ich werde dich nicht anlügen: Während du hier oben warst, habe ich mit deinen Leuten gesprochen und bin durch die Stadt spaziert… Es gibt da jemanden, den ich finden muss, und diese Person ist anscheinend nicht hier. Da dem so ist, finde ich ihn vielleicht dort.« Fethan deutete mit dem Kopf zur Ebene. »Man findet ihn immer dort, wo etwas los ist.«
    »Ich kann mein Volk nicht im Stich lassen.«
    »Die Menschen wissen, dass du Zeit brauchst. Ich habe mit einigen von ihnen gesprochen.« Tanaquil brachte nicht die Energie für einen Einwand auf, und die Vorstellung, in die Luftschiffkabine zu steigen und einfach davonzusegeln, hatte etwas Verlockendes an sich. Vielleicht bot sich hier der einzige Weg, das bleierne Schloss in seiner Brust zu öffnen, indem er einfach in die

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