Der Messingmann
einem solchen Platz bequem gemacht hatte.
Mit dem verbliebenen Arm stemmte er jetzt das reduzierte Körpergewicht hoch. Ein Blick nach unten zeigte ihm, dass die Unterschenkel am Kniegelenk abgetrennt worden waren und nur die nackten Hüftknochen aus den Resten des Anzugs hervorstanden. Das Magma hatte die Bauteile der Knie geschmolzen, aber nicht das Keramal der Knochen. Als er aufblickte und sah, dass Crane noch ein paar Meter über ihm war, begann er sich von einer Seite zur anderen zu schwingen, um einen Bewegungsimpuls aufzubauen. Er ließ gerade in dem Moment los, als ein Stiefel auf sein Handgelenk hinabzutreten versuchte.
Er erwischte den Rand der Lavaröhre und griff hinein, und die Hüftknochen krabbelten unter ihm herum wie Zwergenbeine; dann war er in der Röhre und drehte sich um - denn die Röhre erwies sich, wie er erwartet hatte, als nur einen Meter tief. Kurz darauf erschien Mr. Cranes Schädel kopfunter vor der Höhlenmündung und blickte durch das Visier des Wärme anzugs hinein. Cento räumte sich selbst gegenüber endlich ein, dass er so gut wie tot war: Es gab kein Entrinnen. Der große Golem verfügte über einen vollständigen Satz Gliedmaßen und über offenkundig überlegene Körperkraft, und er würde einfach in die Röhre greifen und Cento herausziehen, wahrscheinlich, um ihn hinter Ulriss herzuwerfen. Und sicher doch, die große Hand tastete sich jetzt wie eine fette Spinne herein, schlug Centos abwehrende Hand weg und schloss sich um sein Gesicht. Eine lange Pause stellte sich ein, dann ließ ihn die Hand wieder los. Was jetzt ?
Der Ausdruck in diesem Messinggesicht war unmöglich zu deuten. Mr. Crane tastete unvermittelt bis auf den Grund der Lavaröhre, griff nach der Kristallschicht, die den Boden bildete. Er tastete sich zu ihrem Rand vor, wo der Kristall schartig war, riss ein Stück ab, zog es heran und hielt es sich vor das Visier, um es zu inspizieren. Dann schloss er die Hand darum und hielt nur den langen Zeigefinger ausgestreckt, den er sich vors Visier hielt, senkrecht über den Mund: Kein Wort jetzt, sei still!
Mr. Crane zog sich hoch, verschwand außer Sicht.
Während sich der Metalleur die Lippen leckte und gelbe Jade wog, betrachtete Tergal die in der gesprungenen Glasvitrine ausgestellten Waffen und überlegte sich, wie Anderson vielleicht reagierte, wenn er erfuhr, wie Tergal diesen Edelstein erworben hatte. Ihm war klar, dass der Ritter ihm nicht traute und ihn scharf im Auge behielt. Und nicht zu Unrecht. Obwohl die Anziehungskraft des Ritters darin bestand, dass er alles verkörperte, was Tergal sein wollte, würde dieser ihn, sobald diese Anziehungskraft nachließ, ausrauben und weiterziehen. So handelte Tergal nun mal - er war Abschaum.
Tergal hatte Anderson nicht die ganze Wahrheit erzählt. Der Mineraleur Fround war ein harter und doch zugleich ehrenhafter Mann gewesen, und Tergals Mutter galt damals, nachdem sie in so jungen Jahren den Bastard Tergal geboren hatte, als verdorbenes Gut, sodass Frounds Angebot für sie mehr als großzügig war. Er zahlte für sie mit dieser gelben Jade, deren Fundort nur er kannte. In den folgenden Monaten lernte Tergals Mutter den Mann respektieren, obschon sie ihn nicht liebte -und würde mit der Zeit, wie Tergal wusste, auch noch dieses Gefühl entwickeln. Tergal begriff inzwischen, dass seine Aversion gegen Fround in Eifersucht wurzelte - weil er die Mutter, früher allein für ihn da, mit jemandem teilen musste - und sein daraus resultierendes Verhalten verachtenswert gewesen war.
Frounds Bemühungen, die Freundschaft des Jungen zu gewinnen, vergrößerten dessen Aversion nur. Zu diesen Bemühungen gehörten die Erlaubnis, frei über Stone zu verfügen, eines von Frounds drei Sandschweinen, großzügige Geschenke an Geld und Kleidung und schließlich die Information, wo man die kostbare Jade fand. In seiner Eifersucht bastelte sich Tergal die Erklärung zusammen, dass dieser Mann ihn zu kaufen versuchte. Heute war ihm klar, warum Fround eine solche Reaktion verwirrt hatte: Der Mann betrachtete Tergal als gleichwertig, obwohl er ihn so mühelos hätte zurückweisen können. Er versuchte nur, ein guter Vater zu sein. Tergal seufzte - zu spät, die Dinge wieder in Ordnung zu bringen. Er bedauerte aufrichtig, dass er sowohl die Jade als auch das Schwein gestohlen hatte, nicht jedoch, dass er von zu Hause fortgegangen war. In den seither vergangenen Jahren hatte er durch Diebstahl, das Eintauschen von Teilen der Jade oder
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