Der Metallschwarm
gelegentlich saß sie mit anderen Kolonisten da und hörte zu, während das Mädchen spielte. Dabei zeigte ihr Gesicht eine Zufriedenheit, die gar nicht zu ihr zu passen schien. »Möchte sie Musik von mir hören?«, fragte Orli munter.
»Nicht Margaret, sondern die Brüterin.«
Plötzliche Kälte griff nach Orlis Herz, und ihre Knie waren weich, als sie nach draußen trat. Die Brüterin? DD führte sie zu einer der Öffnungen in der Mauer, die die Siedlung umgab. Die dortigen Klikiss-Wächter ließen DD und das Mädchen passieren.
Margaret wartete auf der anderen Seite der Mauer, das Gesicht voller Sorge.
»Es tut mir sehr leid, aber dies ist zu deinem Besten. Vielleicht gibt es dir eine Chance - eine bessere Möglichkeit sehe ich nicht.« Sie sah auf die unter Orlis Arm zusammengerollten Synthesizerstreifen. »Ich möchte, dass du für die Brüterin spielst, und versprich mir, dass du dir die größte Mühe gibst.«
»Ich habe das Lied >Greensleeves< von Ihrer Spieldose gelernt.« Margaret hatte sie auch den Text gelehrt. Die ältere Frau wirkte plötzlich alarmiert.
»Nein, nicht >Green sleeves<. Das Lied kennen die Klikiss bereits. Spiel deine eigenen Kompositionen.«
Orli zwang sich zu Optimismus. »In Ordnung. Ich habe genug eigene Lieder. Kein Problem.«
DD ging fröhlich neben ihnen. Große Klikiss-Krieger standen vor dem dunklen Zugang eines Gebäudes mit glatten Außenwänden, das wie ein zusammengepresster Bienenstock aussah und eine regelrechte Festung im Zentrum der Klikiss-Stadt bildete. Es gab nur einen Eingang, groß genug für die Domate. Orli folgte Margaret in die Düsternis und kam sich dabei sehr klein vor.
Ein sandiger Moschusgeruch ging von den Klikiss aus, und im Innern des Gebäudes wurde er sehr intensiv. Orli rümpfte die Nase. »Hier stinkt's.«
»Die Pheromone sind Teil der Klikiss-Sprache«, erklärte Margaret. Nur wenig Licht kam durch die Ventilationslöcher in den Wänden aus Harzzement. Grünliche Phosphoreszenz bildete dicke, unregelmäßige Linien an den Wänden, und Orli dachte dabei an Insektenspucke - vielleicht war es das tatsächlich.
Dutzende von stacheligen Kriegern standen in den Korridoren, die ins Zentrum des Schwarms führten. Zwei geradezu riesige Domate traten vor dem Torbogen des zentralen Raums beiseite.
Margaret blieb vor dem Zugang zum kuppeiförmigen Raum stehen und flüsterte: »Denk daran, deine eigene Musik zu spielen. Die besten Stücke.«
Als Orli durch den Torbogen trat und das Objekt - Geschöpf - im zentralen Raum sah, stockte ihr der Atem. Die Brüterin war eine veränderliche Masse aus zahllosen Komponenten, wie das Facettenauge einer Fliege. Orli sah Krusten, Schalen, dicke Stacheln aus Chitin, sich hin und her windende Larven. Überall um sie herum lagen die flachen, kantigen Köpfe zerstörter Roboter, zusammen mit metallenen Armen und Girlanden aus herausgerissenen Schaltkreisen.
Furcht stieg in Orli auf, als die große Masse der Brüterin sich bewegte und etwas nach oben kam, das vielleicht der Kopf war. Zahlreiche Facetten richteten sich auf sie, und das allgegenwärtige Summen wurde lauter. Margaret trat mit ihrer kleinen Spieldose vor. Mit Daumen und Zeigefinger zog sie sie auf, und eine klimpernde Melodie erklang. Sie schwieg, bis das ganze Lied der Spieldose erklungen war, wandte sich dann an Orli und flüsterte: »Jetzt deine Melodien. Dies ist wichtig.«
Orli schluckte, entrollte die Synthesizerstreifen und versuchte, sich an die Lieblingsmelodien ihres Vaters zu entsinnen. Sie war so nervös, dass sie für einen schrecklichen Moment vergaß, wie man spielte. Dann konzentrierte sie sich und dachte daran, dass die Brüterin sie vielleicht tötete, wenn sie einen Fehler machte.
Sie schob all diese Gedanken beiseite, setzte sich und spielte ihre Musik. Die Brüterin bewegte sich erneut und hob auch andere Teile ihrer Masse. Orlis Finger flogen über die Tasten, schufen Melodien und fügten ihnen Kontrapunkte hinzu. Sie gab sich solche Mühe, dass sie ihre Umgebung fast vergaß. Sie stellte sich vor, für Crim und Maria zu spielen, dachte an die Träume ihres Vaters und sein Versprechen, dass sie einmal eine berühmte Musikerin sein würde.
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, dass die Klikiss-Arbeiter am Rand des Raums, die Krieger und selbst die Domate erstarrt waren - die Melodien schienen sie in Statuen zu verwandeln. Orli begriff, dass sie die Aufmerksamkeit des ganzen Schwarmbewusstseins hatte; die Brüterin war so sehr auf
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