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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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der Metzger mit: »Die Thuswalder-Brüder sind ein Team, und jetzt weg hier.«
    »Sind Sie sich sicher?«, ist die Frage des Kellners, da ist der Restaurator bereits drinnen im Gestrüpp. Und gut ist dieser prompte Aufbruch, denn so ein Deo- ist kein Pfefferspray.
    »Verdammt, was soll das. So wartet doch!«, sind kurz danach die von Laurenz Thuswalder mit Ärger der Nacht anvertrauten Worte.
    »Du atmest, wunderbar!«, stellt Toni Schuster beim Anblick der angelaufenen kleinen Glasfläche der Lupe seines Multifunktionsmessers fest: »Hast du gehört, was dein Bruderherz gesagt hat: Ich hätte dich selber fragen sollen. Wirklich Zeit dazu hat er uns allerdings nicht gelassen, oder? Ich finde, wir sollten uns bemühen, diese kleine Plauderei nachzuholen, was meinst du?«
    Stefan Thuswalder nickt nicht nur, er bewegt sogar seine Lippen: »Du musst mich runterbringen, bevor ich verblut!«
    »Wie soll ich das machen, gemeinsam Ski fahren wie heut Morgen ist, schätz ich mal, nicht drin«, stellt Toni Schuster nüchtern fest.
    »Lass dir was einfallen, Wiffzack!«, ist die Antwort, zittrig hebt sich sein Kopf, kurz öffnet er die Augen und blickt auf seinen blutüberströmten Körper. »Und versprochen, hoch und heilig: Ich warte!«
    Dann ist es wieder da, wenn auch nur ganz leise, dieses durch Mark und Bein gehende dämonische Lachen.
    »Wir müssen uns teilen!«, stellt der Kellner Franz nun zum zweiten Mal fest und schlägt diesmal gleich auf eigene Faust einen Haken hangaufwärts. Und weil er in diesem Fall von der eingeschlagenen Richtung noch weniger hält als vom Teilen, nimmt der Metzger die ihm verbliebene Option dankend an und gibt sich möglichst lautlos der ohnedies von ihm bevorzugten Variante hin, also bergab.
    Wahrscheinlich sieht er des Abends nach Dienstschluss gelegentlich den einen oder anderen Actionreißer zu viel, der alleinstehende Kellner Franz, denn so ad hoc auf die Idee zu kommen: »Wir müssen uns teilen!«, bedarf schon einer entsprechenden telegenen, besser aber noch persönlich erlebten Vorkenntnis. Und weil es ihm eben an Zweiterem mangelt, hört man es Rascheln im Geäst, als hätte nun tatsächlich oben, im nur noch spärlich vorhandenen Restgletscher des Bürgljochs, ein Mammut seinen Auftauprozess heil überstanden.
    Lange dauert es also nicht, und erneut sind Schüsse zu hören. Willibald Adrian Metzger stockt der Atem: Franz Kellner ist gewiss nicht der Letzte in der Runde, auf den es Laurenz Thuswalder, warum auch immer, abgesehen hat. Die Äste schlagen ihm ins Gesicht, immer wieder stolpert er, fällt auf die Knie, zu langsam kommt er voran, viel zu langsam. Ohne Rücksicht auf eine mögliche Enttarnung kehrt er auf den Weg zurück. Höchstens zehn Minuten, länger kann es nicht dauern, bis der Parkplatz auftaucht. Heftig geht sein Atem, bleiern schwer sind seine Füße, die Angst sitzt ihm in den Knochen. Als befände er sich in einem Tunnel, nichts als Finsternis vor sich, so irrt er durch die Nacht, der Willibald. Dann hört er ein Rauschen.

58
    Anna Kaufmann, im Stockbett unten, und Bernhard Axpichl, im Stockbett oben, bräuchten im Grunde keine Aufsicht, schon gar keine doppelte. Heilfroh ist Bernhard, dass nach den schrecklichen Ereignissen auf dem Spielplatz wieder alles gut ist mit seiner Schwester und sie jetzt vielleicht sogar bleiben kann, ohne jemals wieder weg zu müssen. Den Tod seines Vaters muss er erst einordnen, das braucht Zeit; dass die Anna aber jetzt so richtig bei ihm sein kann, darauf braucht er sich nicht einzustellen, keine Sekunde:
    »Sind zwei Halbgeschwister, wenn sie nur die Mama gemeinsam haben, eigentlich richtige Geschwister?«, will er von den anwesenden Erwachsenen wissen, und obwohl Sophie Widhalm diesbezüglich die Fachfrau wäre, antwortet Danjela Djurkovic: »Viel wichtiger als Frage, ob seid ihr Viertel-, Halb- oder Ganzgeschwister, ist Frage: Seid ihr Freunde?«
    »Kann ich den Berni heiraten?«, gibt die kleine Anna diesbezüglich Auskunft, und so entzückend die Wortmeldung auch sein mag, ein wenig spürt sie jetzt doch einen kleinen Ärger, die Danjela. Insgeheim hat sie nämlich gehofft, die zwei Minuten Schweigen aus der unteren Stockbettetage könnten bedeuten: Anna ist endlich eingeschlafen.
    Dem ist also nicht so. Blätter haben sie bemalt, und zwar in dermaßen hohem Unfang, da werden sie demnächst heftig Konkurrenz bekommen, die Sonnen in der Kalcher-Küche, Kronen haben sie gebastelt und schließlich gemeinsam den Tisch gedeckt,

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