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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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blickt dem Metzger entkräftet in die Augen: »Ich bin zu müde, einfach zu müde für diese ewige Davonlauferei! Das ist schon ganz richtig so, dass wir da jetzt wieder beisammensitzen. Vielleicht hat Sie der Himmel gschickt, vielleicht hat Sie der Horst gschickt, damit das endlich ein End hat. Alles ist richtig, was Sie gesagt haben in der Küche, alles. Nur eines stimmt nicht!«
    Sie umfasst die Schulter ihrer Enkeltochter, zieht sie noch näher zu sich heran und beginnt zu erzählen:
    »Lisl, du bist jetzt groß genug, um die Wahrheit zu erfahren. Ja, der Papa ist tot, aber er ist nicht so wie die Mama und die Isabella bei einem Autounfall gestorben, sondern erst vor Kurzem in der Stadt!«
    Sepp Kalcher trifft ein, sinkt auf die Knie, stützt sich im Schnee auf, den Blick auf den blutroten Bauch seiner Frau gerichtet:
    »Meine Güte, Agnes, du gehörst hier weg!«
    Agnes Kalcher tastet suchend nach seiner Hand, drückt sie an ihre Wange und erklärt: »Jetzt laufen wir nicht mehr weg, Sepp. Bevor uns was passiert und wir nicht mehr reden können, müssen die Kinder wissen, was los ist.«
    Lisl Kalcher ist kein Erstaunen anzusehen, ruhig hebt sich ihr Brustkorb, ruhig bleiben ihre Augen, ruhig streicht sie ihrer Großmutter über die Hand, bereit, alles aufzunehmen. Mit viel Frieden in ihrer Stimme setzt Agnes Kalcher fort:
    »Mit allem haben’S recht, Herr Metzger, nur nicht mit einem: Der Horst ist nicht davon, weil er mit den Anschlägen auf die Thuswalders was zu tun hat. Er ist davon, weil er das, was von seiner Familie über war, retten wollt …«
    »Agnes, das kannst du alles noch erzählen, wenn wir in Sicherheit sind!«, unterbricht sie Sepp Kalcher, »wir müssen dich runterbringen!«
    »Aber Sepp, ich schaff das nicht bis zum Parkplatz!«
    »Wetten, du schaffst das!« Sepp Kalcher ist aufgesprungen. »Ich komm gleich wieder!«, und weg ist er.
    »Und jetzt gehen wir!«, erklärt Laurenz Thuswalder.
    »Was hier vorgeht, interessiert mich aber mehr.« Toni Schuster denkt gar nicht daran, das Weite zu suchen. »Warum ist Erich Axpichl ermordet worden, warum wird Sepp Kalcher als Sündenbock missbraucht? Und warum meint dein Bruder, ich soll dich fragen, wo die kleine Ada und ihr Urgroßvater sind?«
    Unruhig ist es geworden zwischen den Tannen, über die Wipfel streicht ein böiger Wind und bringt die mächtigen Bäume ins Schwanken. Breitbeinig, mit hängenden Armen, in der rechten Hand immer noch die Waffe haltend, steht Laurenz Thuswalder im Schnee und blickt auf seinen regungslosen Bruder.
    »Das hättest du ihn schon alles selber fragen müssen, woher soll ich das wissen.« Er wirkt unruhig. Dann beugt er den rechten Arm, klappt die Trommel seines Revolvers aus, wühlt mit der anderen Hand in seiner Jackentasche herum, entnimmt ihr Munition und lädt nach. Ruhig, aber keineswegs entspannt ist sein Ton: »Ganz abgesehen davon: Ich hab aus Notwehr meinen eigenen Bruder erschießen müssen, glaubst, das geht mir nicht nahe, da muss ich mich wirklich nicht von dir verhören lassen wie von einem Polizeischüler! Und so nebenbei hab ich dir grad das Leben gerettet.«
    Dann steckt er die Pistole ein, hebt das Gewehr seines Bruders auf und wendet sich dem hinter ihm stehenden Toni Schuster zu: »Und jetzt muss ich mich um die andern kümmern.«
    Nur ist da halt weit und breit kein Toni Schuster mehr zu sehen, nicht einmal seine kleiner werdende Rückseite.
    Sepp Kalcher ist also unterwegs, um die schnellstmögliche Hilfe zu holen.
    »Ach, Lisl«, setzt Agnes Kalcher fort, »du wolltest das nie, dass aus den Almen Skipisten werden, wir die Viecher hergeben, dass es vorbei ist mit unserer Ruhe hier – und dann haben wir doch alles verpachtet. Ich weiß noch, wie traurig du warst, wie du uns Vorwürfe gemacht hast, zu Recht. Hast ja nicht gwusst, warum. Weißt noch, wie der Papa und die Mama so gegen das Projekt der Bürgljoch-Skischaukel vorgangen sind, wie wir die Gründe für die Pisten nicht hergeben wollten und alle gegen uns waren? Für die ganzen Brandanschläge haben’s uns verantwortlich gmacht, schlimm war das, aber kein Vergleich zu dem großen Unglück von der Mama und der Isabella. Das war sicher die schwerste Zeit in unserem Leben …!« Agnes Kalcher muss husten und hält sich mit schmerzverzerrtem Gesicht ihren Bauch. Dann ergreift sie etwas Schnee, nimmt einen Teil in den Mund, legt sich den Rest auf die Stirn und setzt fort: »Kurz nach dem Begräbnis, das haben wir dir nie erzählt, is

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