Der Metzger bricht das Eis
fürs Frühstück. Mittlerweile ist es weit nach Mitternacht, und die Einzigen, die schwere Anzeichen von Müdigkeit zeigen, sind bereits volljährig.
Das ändert sich, schlagartig.
Denn so oft kommt es nicht vor, dass Robert Fischlmeier das Blaulicht einschalten darf.
»Ja, wo ist er denn, der Willibald Adrian!«, tönt es laut unter seiner rechten Achsel, dann rauscht es wieder. Es dauert ein wenig, bis der Metzger diesen Spuk zuordnen kann. Panisch greift er an seine Brust und weiß, worauf er mittlerweile längst vergessen hat: das Funkgerät. Laurenz Thuswalder versucht also Kontakt aufzunehmen. Unbeirrt läuft der Restaurator weiter. Und wieder rauscht es: »Wo ist der Metzger?« Diesmal bleibt die Frage nicht folgenlos, sondern zieht einen aus größerer Distanz abgegeben Schuss nach sich.
»Verdammt, Willibald, wirf es weg! Er versucht dich über den Lärm des Funkgeräts zu orten!«
Hinter ihm ist Toni Schuster aufgetaucht, ebenfalls im Laufschritt, und zumindest innerlich kann der Metzger kurz durchatmen. Paarweise fühlt sich so ein Verfolgtwerden nämlich deutlich besser an, wobei es natürlich schon darauf ankommt, um wen es sich bei diesem Partner handelt.
Ein Funkgerät landet im Wald, und einige schweigsame, schweißtreibende Minuten später erreichen die beiden den Parkplatz. Völlig außer Atem, aber erleichtert stützt sich der Metzger auf die Motorhaube des Geländewagens seiner Halbschwester.
»Rein in die gute Stube!« Toni Schuster öffnet die Wagentür, hurtig wird eingestiegen, und los geht’s. Reversiert hat er schon beim Einparken, der Toni, das ist eben eine seiner Marotten, einen Wagen prinzipiell so abzustellen, dass es beim Wegfahren nur mehr den Vorwärtsgang gibt. Den ersten legt er jetzt ein, wundert sich noch, dass das trotz Gaspedal bis zum Anschlag mit der Beschleunigung nicht unbedingt optimal hinhaut und warum es überhaupt so rumpelt. Beim zweiten Gang hat er schon einen leisen Verdacht, bei der ersten Kurve weiß er es dann: »Verdammt, er hat die Funkgeräte nur geholt, um uns die Reifen aufschlitzen zu können!«
Und weil sich der Bremsweg auf Schneefahrbahn und Alufelgen erheblich verlängert, dürfen sie endlich alle zeigen, wie wunderschön sie sich aufblasen können, die Airbags. So bleiben, ganz im Gegensatz zur einsam am Wegesrand stehenden Tanne, die beiden Insassen unversehrt. Zeit, um sich auf allfällige Blessuren durchzutesten, bliebe sowieso keine, denn der nun abgegebene Schuss ist im Vergleich zum letzten deutlich näher gerückt. Klirrend zerspringt die Fensterscheibe links hinten.
»Verdammt. Jetzt sitzen wir auf dem Präsentierteller!«, zeigt sich Toni Schuster erstmals ein wenig ratlos.
»Jetzt bleibt uns nur mehr der Sarg!«, stellt der Metzger nüchtern fest und denkt dabei ganz und gar nicht, so wie Toni Schuster, an die möglicherweise bevorstehende eigene Beerdigung.
Ihren Polizistenonkel Robert hat sie natürlich eingespeichert, in ihrem Handy, die Lisl Kalcher. Und weil sich die Oma vor ihr so gut beim Opa festhält, konnte sie bereits unterwegs den nötigen Anruf tätigen.
»Wer spricht, die Lisl?«
Er hat es einfach nicht glauben können, der Robert Fischlmeier, dass seine kleine Lisl endlich wieder nicht nur zum Essen den Mund aufmacht. Alles andere musste er dann aber zweimal hören, so unglaublich waren die Schilderungen.
Fast zeitgleich erreichen sie den ausgemachten Treffpunkt, das Wohnhaus der Familie Kalcher. Robert Fischlmeier mit zwei weiteren Dienstwagen, dahinter ein Einsatzfahrzeug der ortsansässigen Rettung, Lisl Kalcher mit ihren beiden Großeltern, darunter ein hochtouriger Motorschlitten.
Unüberhörbar also ist die Ankunft. Danjela Djurkovic, Sophie Widhalm, Bernhard Axpichl und Anna Kaufmann stürmen aus der Eingangstür, gegenüber im Gasthof Kalcherwirt gehen einige Lichter an, Menschen treten auf den Balkon, andere vors Haus, in kürzester Zeit also hat sich die nächtliche Stille zu einer stattlichen Abendveranstaltung entwickelt, in deren Mittelpunkt sozusagen als Hauptattraktion die schwer verletzte Agnes Kalcher steht. Umgehend wird sie in den Rettungswagen verfrachtet und abtransportiert – mit Sepp Kalcher. Denn Lisl vertritt so lange standhaft ihr Argument, dass ja jetzt eh der Onkel Robert da wäre, der als Polizist natürlich wisse, wie es weiterginge, und sich schon um alles kümmern werde, bis Sepp Kalcher endlich zu seiner Frau in den Rettungswagen steigt.
So bildet sich also ein wissbegieriger
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