Der Metzger bricht das Eis
also: Mutter oder Tochter. Da ist dann die Maria gleich vor meinen Augen vom Dach gesprungen, Wahnsinn, oder, und für mich war im Prinzip gar nichts zu tun – irgendwie schad! Dafür hab ich mir dann den Horstl, diesen Sandler, zur Brust genommen, bewusstlos gemacht, ihm mit Tabletten und Alkohol ein allerletztes Schläfchen in einer Busstation gegönnt und mir mit dem Laurenz das Schläfchen auch in aller Ruhe angesehen. Als kleines Präsent haben wir dann der Agnes ein Foto gschickt von der Leich – ist doch wichtig, dass eine Mutter erfährt, wie es ihrem Buben so geht.
Ja, und durchs Abhören ist uns dann der Metzger samt seiner Truppe aufgefallen. Im Grunde unbedeutende, neugierige Menschen. Menschen, die dann plötzlich beim Kalcherwirt auftauchen und sich nicht heimschicken lassen.
Jedenfalls war der Plan vom Laurenz, wie wir alle Mitwissenden samt Testamentsvollstrecker mit einem Schlag beseitigen können, einfach genial. Jeder im Ort weiß, wie sehr der Sepp Kalcher den Erich Axpichl verachtet für all das, was seiner Familie von ihm angetan worden ist. Jetzt hat sich auch noch die Maria, die nach der Scheidung bei den Kalchers gewohnt und sich wahrscheinlich um den traurigen Witwer Horst gekümmert hat, vom Dach gestürzt, und zwar genau an dem Tag, an dem der Erich in der Stadt war, um den Bernhard abzuholen, also rastet der Sepp endgültig aus, läuft Amok, gibt dem Erich die Schuld an dem Selbstmordversuch, bringt ihn um, flüchtet, lockt seine Frau herauf zu der Kapelle, wo die beiden geheiratet haben, indem er vorgibt, Ada und sein Vater wären Richtung Schindljoch unterwegs, erschießt seine Frau, dann sich und setzt dem gemeinsamen bitteren Leben ein Ende, alles dokumentiert in diesem Abschiedsbrief!« Stefan Thuswalder zieht einen blutdurchtränkten Briefumschlag aus der Beintasche seines Overalls. »Den hätte ich ihm dann ganz einfach neben die Waffe gelegt. So logisch, so simpel wär das gewesen, und dann läuft alles dermaßen schief, nicht nur wegen den beiden!«, er deutet auf Toni Schuster und Willibald Adrian Metzger. »Sondern wegen Laurenz. Denn die Tragik an der ganzen Geschichte ist: Anstatt dass mein Bruder, für den ich alles getan hab, mir da oben hilft, will er mich offiziell zum Einzeltäter machen, so seine weiße Weste behalten und eines Tages Alleinerbe werden«, kurz setzt er ab, so was wie Rührung ist ihm anzusehen: »und bringt mich um!«
Er atmet tief ein, stickig ist die Luft mittlerweile geworden, und erklärt: »Ich glaub, da lässt sich nichts mehr machen, was denken Sie, Herr Doktor? Ich krepier grad, oder? Und es ist mir egal«, brüllt er, »wollte eh schon immer wissen, wie das ist und was danach kommt. Nur: Als alleiniger Sündenbock trete ich nicht ab!«
Stefan Thuswalder muss husten, Blut rinnt aus seinen Mundwinkeln, er schaut auf seinen Körper, kann kaum noch die Arme heben und legt seine Hände gefaltet auf den Bauch: »So liegt man da, oder!« Irgendwie zufrieden blickt er zu seinem Vater: »Jetzt kennst du sie so richtig, deine beiden Buben. Na, hab ich ja doch noch was Gutes getan, ganz am Ende, oder? Armer Vater, so ein Imperium und keine Erben!« Erneut grinst er und erhält eine Antwort:
»Keine Sorge, wer das alles hier übernimmt, steht längst fest. Auch wenn Robert Fischlmeier offiziell nur eine Mutter hat, hat er trotzdem einen Vater!«
Jetzt lacht Stefan Thuswalder ausnahmsweise nicht, schließt die Augen und erklärt in bestimmtem Tonfall: »Und jetzt lasst mich allein, beim Sterben muss mir hier keiner zuschauen! Oder willst du mir zum Abschied noch was sagen, Vater, wie zum Beispiel: Toll hast du das gemacht, mein Junge, so stolz bin ich auf dich!«
»Ich verfluche den Tag, an dem ihr geboren wurdet!«, erklärt Heinrich Thuswalder und blickt auffordernd zu Robert Fischlmeier: »Finde den anderen!«
Dann dreht er sich um und verlässt das Verhörzimmer der örtlichen Dienststelle.
»Wie lang dauert das eigentlich, bis man abkratzt, weiß das hier irgendwer?«
»Hängt von dir ab, wenn du willst, kann’s ganz schnell gehen«, erklärt Robert Fischlmeier, tritt zum Tisch vor und legt seinem Halbbruder die Dienstwaffe auf die Brust.
»Stopp!« Es ist ein Brüllen von beängstigendem Ausmaß, das nun den Raum erfüllt. Lisl Kalcher ist aufgesprungen, hochrot im Gesicht, »Wo sind Ada und mein Urliopa?«
Stefan Thuswalder hat die Augen geschlossen und seine Hände auf die Waffe gelegt, als wäre sie ein Rosenkranz:
»Die finden sich
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