Der Metzger bricht das Eis
eine theatralische Pause ein und ergänzt: »… und nix ist passiert! Übrigens, auch das war, wie alles, die Idee vom Laurenz. Er war der Mann für die Theorie, ich für die Praxis. Jedenfalls hab ich dann als kleine Draufgabe die Lisl ein paar Stunden eingsperrt.« Er blickt dem Mädchen in die Augen, und sie hält ihm stand. »Damit sich der Papa so richtig in die Hosen scheißt – war ja gar nicht so schlimm in der dunklen Kammer, oder, Lisl? Ja, und dann ist der Horst auf der Suche nach seiner Tochter mit dem Motorschlitten verunglückt, und wir alle haben ihm das abgenommen, dem Hundling – das ist der Teil eins der Geschichte. Na, was sagst, Vater, das war doch schon mal recht ordentlich, oder? Was ist jetzt: Bist du stolz auf deine Buben?«
Still ist es im Raum, Heinrich Thuswalder schweigt, kreidebleich ist sein Gesicht, dann bekreuzigt er sich.
»Die Turnübung bringt dir gar nix, Vater. Und vor Teil zwei bringt’s mir mein letztes Bier und eine Gulaschsuppen!«
61
»Danjela?«
»Anna, bitte musst du endlich schlafen.«
»Das riecht nach Käse!«
»Is aber nur Gips. Muss ich wechseln, hast du recht. Gehst du auf Wandseite, dann riechst du nix mehr! – Au, is meine Bauch nix Trittleiter!«
»Hihi!«
»Pst, musst du leise sein, kleine Kichererbse, weil schläft Berni schon da oben in Stockbett!«
»Danjela?«
»Anna, bitte, wenn machst du so weiter, können wir gehen direkt zu Frühstück!«
»Kann ich jetzt den Berni heiraten oder nicht?«
»Und rückst du ein bisschen rüber, weil fall ich sonst runter, macht patsch, gibt Erdbeben, und ganze Ort wacht auf.«
»Hihi, nicht der ganze Ort.«
»Wieso?«
»Der Bäcker ist schon munter, der macht jetzt das Brot!«
»Gescheite Mädchen.«
»Also?«
»Was?«
»Heiraten?«
»Tut mir leid, aber geht nix Geschwister heiraten. Nur, warum willst du heiraten, wenn ist eh schon dein Bruder?«
»Weil wenn man heiratet, bleibt man für immer zusammen. So wie du und dein Mann.«
»Is Willibald aber nix meine Mann!«
»Aber dein Bruder ist er auch nicht?«
»Nein.«
»Dann bleibt ihr also nicht immer zusammen!«
»–!«
»Danjela? Schläfst du schon?«
»Nein, denk ich nur nach. Weißt du, heißt auch heiraten nix unbedingt, dass bleibt man …«
»Dass bleibt man was?«
»Andere Thema: Glaubst du, würde mir passen Hochzeitskleid?«
»Kommt auf die Größe an.«
»Hihi, Anna, bist du lustig!«
»Pst, Danjela, du musst leise sein, der Berni wacht sonst auf!«
»Also, glaubst du, würde mir passen?«
»Zum Gips auf alle Fälle!«
»Psst, Anna! Hast du gehört, war Geräusch in Nebenzimmer!«
62
Ein Rülpser durchdringt den Raum. »Ah, herrlich. Schade um die vielen Biertschis, auf die ich in Zukunft verzichten muss!«
Stefan Thuswalder hat sich unter dem Ekel aller satt gegessen und geht ins Finale:
»Wunderbar, weiter mit dem Spaß. Der Horst war also tot, und die Lisl haben wir natürlich sofort gehen lassen. Zwei Probleme sind später aufgetaucht. Erstens: Der Horst, der Schuft, hat, wie ihm damals von seinen Eltern die Gründe überschrieben worden sind, sofort die Lisl als Erbin eingesetzt, was heißt, sie ist die Eigentümerin, darf aber erst, sobald sie volljährig ist, darüber verfügen. Bis dahin verwaltet ihr Erbe ein Testamentsvollstrecker, das ist in ihrem Fall ihr Opa, der Sepp Kalcher, der Sturkopf. Das heißt, wenn die Pacht in diesem Jahr ausläuft, ist wieder komplett offen, wie es weitergeht.
Zweitens. Wir haben nicht gwusst, was der Horst alles seiner Familie erzählt hat. Deshalb wird seit einiger Zeit die Lisl von unseren Sponsoren verwöhnt, mit den neuesten Skiern zum Beipiel, und wir haben auch ein paar wichtigen Leuten ein funkelnagelneues Telefon zukommen lassen. Seither hören wir mit, ja, auch bei dir, Fischi, und bei dir, Vater. Und weil wir auch bei der Agnes mithören, die regelmäßig mit Maria Kaufmann telefoniert, ist uns die Auferstehung vom Horstl zu Ohren gekommen, und die braucht keiner hier im Ort. Wir haben also zur Sicherheit den Erich Axpichl in die Stadt gschickt und Fotos machen lassen, darauf den Horst erkannt und sind am selben Tag noch hingefahren.
Zuerst hab ich mir die Maria im Spital vorgeknöpft, draußen hat der Laurenz im Wagen gewartet, hab ihr auf der Dachterrasse am Beispiel der Familie Kalcher geschildert, wie schnell so einer Mutter mit Tochter ein Unglück passieren kann, und ihr das Angebot unterbreitet, in ihrem Fall, lieb, wie ich bin, eine Ausnahme zu machen,
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