Der Metzger bricht das Eis
heruntergestürmt, zu einem fremden Kind, sondern ein Vater zu seiner Tochter.
60
Wie versprochen wurde Lisl Kalcher in Begleitung des Metzgers abgeholt, um dem Verhör beiwohnen zu können, immerhin geht es um ihre Schwester und ihren Urgroßvater. Unerwarteterweise ergab sich allerdings eine für alle höchst unangenehme Wartezeit, da der vom ortsansässigen Arzt mit ein paar Infusionen notversorgt und gleich mitsamt der Bahre auf einen Tisch gelegte Stefan Thuswalder erst dann mit dem Verhör beginnen wollte, wenn ihm auch sein Vater gegenübersitzt. Das ist nun der Fall.
Unübersehbar steht Heinrich Thuswalder die Verachtung ins Gesicht geschrieben. »Sprich!«, ist alles, was er zu sagen hat.
»Fischlmeier, leg dein Handy auf den Tisch und nimm das jetzt auf!«, ordert Stefan Thuswalder.
Dann geht es los, und keiner der hier Anwesenden hätte jemals gedacht, derartig Grauenhaftes mit so unverblümter Gleichgültigkeit formuliert zu Gehör zu bekommen.
»Na, was sagst du, Vater!« Stefan Thuswalder deutet auf seinen blutüberströmten Overall, »da hat sich dein Vorzeigesohn wohl ein wenig im Ton vergriffen! Die Einschüsse stammen von ihm.« Dann lacht er gehässig. »Soll ich dir ein paar Geschichten über deinen lieben Laurenz erzählen, ja?«
Er schweigt und erhält keine Antwort.
»Soll ich?«, brüllt er, muss husten und spuckt Blut.
Schwer geht sein Atem, eine Zeit braucht es, bis er zur Ruhe kommt:
»Wenn ich fertig bin, willst du dich umtaufen lassen, das versprech ich dir. Also: Was glaubst du, wie wir die Axpichl-Gründe bekommen haben? Weißt du noch, wie der Erich Axpichl damals mit seinem Motorrad den kleinen Buben ins Jenseits und seinen Vater in den Rollstuhl geschickt hat? Eine traurige Geschichte!« Er lacht zynisch, und eine unfassbare Übelkeit nimmt Willibald Adrian Metzger in Beschlag.
»Da ist er bei uns auf der Matte gestanden, ganz klein, der große Skistar, und wir haben das Malheur ausgebügelt mit unseren Kontakten, da hast du damals plötzlich nix mehr zu melden gehabt, nicht wahr, Fischlmeier! Dafür hat uns der Axpichl den Verkauf seiner heruntergewirtschafteten Gründe zugesichert und versprochen, den Kalcher, den er eh nicht leiden konnte, ein bisschen zu ärgern, damit der verpachtet. Nur hat sich der Horst Kalcher eben nicht ärgern lassen. Also mussten wir selber aktiv werden. So, und weißt du, wie wir jetzt die Kalcher-Gründe bekommen haben?«
Er legt eine Pause ein, deutet auf Lisl Kalcher und erklärt: »Schickts die Kleine raus, dann erzähl ich weiter!«
»Niemand schickt mich raus!«, schmettert ihm Lisl Kalcher energisch entgegen und wird sich nach dem nun Folgenden endgültig von ihrer Kindheit verabschieden.
»Ist dein Leben!«, stellt Stefan Thuswalder nüchtern fest, grinst gehässig und setzt fort: »Zuerst haben wir, damit der Druck wächst, die Lifte der Skischaukel und die Bürgljoch-Gondelbahn zu bauen begonnen, ohne Kalcher-Unterschrift, weil die Kalcher-Gründe haben ja nur die Abfahrten betroffen, nicht die Seilbahn. Parallel dazu haben der Laurenz und ich was schiefgehen lassen bei unseren eigenen Projekten, die Bergstation, die Passage, die Reithalle in Flammen gesetzt, alles natürlich im Namen von Horst Kalcher. Erstens sind wir bestens versichert, und zweitens fällt das unter Werbebudget, oder, Papa? Jedenfalls hat das gewirkt, da war er dann ganz schnell untendurch im Ort, der liebe Horstl. Meine Güte, sind das alles blinde Affen bei uns, so leicht zu manipulieren. Bis auf den Horst. Stur war der, meine Güte, nur wegen den paar Almen. Nur war das schon eine ausgmachte Sache mit den Sponsoren und Verbänden, dass wir in der Region eine neue Weltcupstrecke anlegen. Also: Wenn uns wer unser Kind wegnehmen will, nämlich die Skischaukel samt Schindlgruben, dann nehmen wir dem auch ein Kind weg und die Mutter noch dazu. Und weißt du, wer die Idee dazu gehabt hat: dein so ruhmreicher Laurenz Thuswalder, da is er selber grad Vater gworden. Die Drecksarbeit hab natürlich ich gmacht: warten, bis die Marianne die Isabella von der Schul abholt, und dann einen Spitzentreffer landen, kurz vor der Kehre 17, dort, wo es so richtig schön hoffnungslos bergab geht. So einfach geht’s. Auf der Stelle waren die beiden erledigt. Ein kleines Brieferl hinterher, und der Horst hat den Pachtvertrag unterschrieben, zwar nur auf drei Jahre befristet, aber immerhin. Und dann haben wir zugschaut, wie du so wie immer den heiligen Samariter spielst,
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