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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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was zur Folge hat, dass der Knabe seine Aufgabe vernachlässigt und den kleinen Weihwasserkessel nicht mehr halten kann. Da heißt es genau die Proportionen studieren, denn die Nachbildung muss vor allem eines gewähren: Authentizität. Solche Aufgaben liebt er, der Willibald, und ist darin auch ein wahrer Meister. Detailverliebt werden zuerst Skizzen angefertigt, dann das geeignete Material gesucht und schließlich die Finger modelliert. Hier wird aus seiner Arbeit Kunst, aus der Zeit ein unbemerkt dahinfließender Sturzbach, aus seinen Gedanken eine auf die Arbeit konzentrierte Meditation.
    Letzteres allerdings kann er heute vergessen. Zu sehr drängen sich an diesem so still und leise dahineilenden Tag immer wieder die Erinnerungen an die erstickende Anna in den Vordergrund, an das vorbeischwebende apathische Gesicht Maria Kaufmanns und den seltsamen Satz des Obdachlosen: »Jetzt geht es wieder los das Sterben, es geht wieder los!«
    Was stimmt nicht mit Maria Kaufmann? Und was hat es mit Annas Lebensretter auf sich? Zumindest der zweiten Frage beschließt der Metzger nach getaner Arbeit nachzugehen.
    So marschiert zu später Stunde ein Mensch guten Willens aus seinem Gewölbekeller erneut in Richtung Park, besteigt abermals die kleine Anhöhe, mustert nachdenklich den verlassenen Pavillon, blickt sich um und tritt schließlich enttäuscht den Heimweg an. Wieder hat es den ganzen Tag geschneit. Aus aufgehenden Metropolen werden untergegangene Städte, das ist der Zauber des Schnees. Er nimmt Tempo, zwingt dazu aufzuräumen, bevor es weitergehen kann. Und geht es schließlich weiter, ist es ein Voranschreiten mit mehr Achtsamkeit. Weder will man stecken bleiben noch ins Schleudern geraten oder gar mit irgendetwas kollidieren – nimmt zumindest der Metzger an. Der nun kurz nach Verlassen des Parks von rechts daherkommende Verkehrsteilnehmer dürfte sich nämlich von all den drohenden Gefahren nicht abschrecken lassen. Ziemlich unkontrolliert gibt sich der Wagen dem leichten Gefälle der leeren Straße hin und prescht in einem Höllentempo, ohne Licht, ohne Airbag und hundertprozentig ohne Winterbereifung, am Metzger vorbei. Grölend, ohne der Anschnallpflicht Folge zu leisten und sich um Dinge wie Lenken oder gar Bremsen zu kümmern, genießen die beiden Insassen sichtlich die Fahrt. Sichtlich deshalb, weil es sich bei dem Gefährt in gewisser Weise um ein Cabrio handelt. Die näher kommende Kurve und der näher kommende, von einer Straßenlaterne beleuchtete Schneehaufen dürften dabei das Amüsement der Passagiere kein bisschen irritieren, ganz im Gegenteil. Je näher das Unausweichliche kommt, desto lauter wird das Gegröle. Fassungslos beobachtet der Metzger das Geschehen.
    Dann wird in gewisser Weise ein Stoppschild überfahren, der Wagen verschwindet scheppernd im Schneehaufen, und die Insassen verlassen im hohen Bogen ihr Cockpit, aufgefangen von der verschneiten Wiese dahinter.
    »Bist du deppat, wie geil war das denn!«, brüllt der eine dem anderen zu, da hat dieser andere weder den Kopf aus dem Schnee herausgezogen noch durch Bewegung eines Körperteils sein Überleben demonstriert. Das folgt nun. Die Kühlung des Scheitels wird beendet, ein zerzaustes Haupt kommt zum Vorschein, es wird in zweifacher Hinsicht der Niederschlag heruntergebeutelt, aufgestanden, herumgetorkelt, gelacht und der Versuch zu sprechen gestartet. Lallend, stockend ist der Ton:
    »Irre, der ultimative Kick war das jetzt, einfach irre. Voll abgedreht, wie sich alles dreht, ich glaub, ich hab mir das Hirn ein bisserl erschüttert. Hast ordentlich Speed unterm Hintern, sparst dir ordentlich Speed in den Venen – kommt billiger. Hahaha – ich brauch das gleich noch m…, wart kurz …«
    Kurz wird gewürgt, erbrochen, Schnee in den Mund gesteckt, gehustet und schließlich weiter geschwärmt:
    »… geht schon wieder. Also, ich brauch das gleich noch mal, diesmal schieben wir aber noch länger an, bevor wir aufspringen, das gibt mehr Zunder, okay! Also, lass uns den Wagen ausbuddeln!«
    Eiligen Schrittes geht der Metzger auf die beiden jungen Herren zu, körperlich dürften sie irgendwo im Alter zwischen 18 und 25 stecken, geistig traut sich der Metzger keine zweistellige Prognose abzugeben.
    Unterwegs hebt er das ursprünglich an der Vorderseite des Wagens baumelnde und nun überfahrene Stoppschild auf und hält es den beiden jungen Männern entgegen:
    »Wo habt ihr den Einkaufswagen her?«
    »Gefunden«, ist die verwunderte

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