Der Metzger bricht das Eis
du dir statt einem komplizierten Oberarmhals- oder gar Hüftbruch nur einen unkomplizierten Kahnbeinbruch eingefangen hast. Und zweitens bist du dank deiner konservativen Ruhigstellung nun auch tatsächlich konservativ ruhiggestellt, also im Krankenstand.«
»Na, hüpf ich gleich vor Begeisterung!«, ist die entsprechend nüchterne Erwiderung: »Was bitte ist an Oberarmgips mit Daumeneinschluss und an Krankenstand mit Einschluss in vier Wände jetzt Grund für Freude?«
»Ein Zwangsurlaub, zu Hause umhätschelt werden, zwölf Wochen lang mit zumindest einer Hand den Kinderwagen samt Lilli schaukeln, das ist alles kein Grund zur Freude?«
Und da strahlen sie jetzt natürlich ein wenig, die Augen der Djurkovic: »Na, dann ist wenigstens vorbei mit männliche Babysitter und Brechen von Frauenherzen in Park. Werd ich also in Zukunft ganz gemütlich meine persönliche Fahrgestell neben Fahrgestell von Kinderwagen durch Gegend schieben!«
Ganz so gemütlich, wie sich die Danjela das jetzt vorstellt, wird es aber leider nicht werden.
11
Da lacht das Herz des Toni Schuster. Vertrottelt schaut das aus, einfach nur vertrottelt, dieses im Rückspiegel größer werdende Dokument der Lächerlichkeit. Wie ein Röckchen flattern die Hosenbeine einer Bermuda, wie mickrige Flügerl die Ärmel eines Kurzarmshirts.
Rot zeigt die Ampel, seelenruhig konzentriert sich Toni Schuster auf seine Fähigkeiten und seinen schräg versetzt zum Stillstand gekommenen Hintermann. Es dauert ein wenig, dann erhellt ein strahlendes Grün die Nacht, was in diesem Fall nicht mit Losfahren gleichzusetzen ist. Bombenfest steht seine Rosi vor der Kreuzung. Gas gegeben wird trotzdem. Für jemanden, der sein Gerät beherrscht, ist es eben eine Kleinigkeit, dem Hinterrad ein paar Rotationen zu gönnen, ohne dabei Meter zu machen. Richtig eine Freud hat er, der Toni, wie sich der Reifen da in die verschneite Straße gräbt und einen Cocktail aus Streusalz, Schotter und Schnee nach rechts hinten katapultiert. Und das, was es nun durch sein heruntergeklapptes, getöntes Visier im Rückspiegel zu sehen gibt, zieht ihm die Mundwinkel hoch, als läge er beim plastischen Chirurgen.
»Ja, ja, ein Visier, das ist für einen Zweiradfahrer schon nicht das Schlechteste!«, flüstert er vergnügt in seinen Helm.
Von der Möglichkeit, den Mund öffnen zu können, ist der Hintermann weit entfernt. Hektisch fuchtelt er vor seinem Gesicht herum, schüttelt den Kopf, versucht so, die auf ihn niedergehende Lawine abzuwehren, springt schließlich ab und stürmt wild wie ein Stier mit ähnlich gebeugtem Nacken auf das vor ihm stehende Motorrad zu – was Toni Schuster dazu nötigt, den Kopf kurz zu wenden und sich mit lauter Stimme bestmögliches Gehör zu verschaffen: »Die schönsten Toten sind Fahrradboten!«, dröhnt es durch die Nacht, dann wird sie schlagartig kleiner, die gelbe Nummer Eins, und verschwindet mit einem gekonnten Driftschwung ums Eck.
Aufpassen muss er jetzt, der Toni, dass ihm vor lauter Lachen sein Visier auf der Innenseite nicht komplett beschlägt. Das sind ja in seinen Augen die größten Gefahren im Straßenverkehr, die Shorts-über-Strumpfhosen, Kurzarm-über-Langarmleibchen, Radhelm-über-Kopftuch tragenden, zu neunzig Prozent langhaarigen, ewig jung gebliebenen Wolltegern-Sports-kanonen. Haxen haben sie nämlich alle, als wäre ihnen gerade nach sechs Wochen der Liegegips abgenommen worden, aber gefahren wird, als ginge es ums gelbe Trikot, natürlich unter völliger Ignoranz der Straßenverkehrsordnung. Und wenn sich dann wirklich einmal so ein strampelnder Suppenkaspar mit seinem leuchtfarbenen Plastikrucksack dazu herablässt, bei Rot seine Hendlbrust zum Stehen zu bringen, ist Showtime, wie Toni Schuster zu sagen pflegt.
Mein Gott, hätte der Poldi Kratochwill jetzt einen Spaß gehabt. Poldi, wir sind zwei Apachen, die Straße ist unser Kriegspfad, und Manitu steh uns bei, geht es ihm einmal mehr durch den Kopf. Immerhin waren sie doch fast ein Jahrzehnt die besten Freunde, er und der Poldi.
Als ganz schlecht erweist sich die Kombination dieses Gedankens mit dem, was da gerade im Blickfeld des Toni Schuster auftaucht. Denn unweit einer Busstation steht sie, die Vergegenständlichung seiner größten motorisierten Wunschvorstellung. Nein, es ist kein schnittiger Zweisitzer, so wie seine Rosi, nur eben auf vier Rädern, kein Potenzprotzer der üblichen männlichen Art. Obwohl, mit Potenz hat es schon jede Menge zu tun, das Kraftfahrzeug
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