Der Metzger bricht das Eis
zu. Niedergeschlagen wirkt er und hilflos. Ein Zustand, der auf weiblicher Seite zu Fürsorgeanfällen und zur Ortung aufkeimender Mutterinstinkte führen kann – mit weitreichenden Konsequenzen.
Alles beginnt damit, dass drei Damen inmitten der Werkstatt die Notizbücher durchblättern, dabei die seltsamen Begebenheiten der letzten Tage Revue passieren und sich, die stillende Trixi natürlich ausgenommen, vom Hausherrn mit Rotwein versorgen lassen. Merlot 2008 aus dem Hause Braunstein steht auf dem Programm. Lange dauert es nicht, und die Kombination des hervorragenden Inhalts der Flaschen mit dem aufwühlenden Inhalt der Ereignisse entwickelt eine Eigendynamik. Da ist sie noch beinah zur Gänze in den Gläsern, die zweite Runde Merlot, ist man sich bereits einig: Die Hinterlassenschaft darf natürlich nicht weggeschmissen werden, da den ideellen Wert eines Erbes nur die Angehörigen beurteilen können, und »gibt Erben …«, so Danjela, »… wenn gibt was zu erben, immer. Was glaubst du, kriecht da plötzlich alles an weitschichtig Verwandte aus Löchern. Muss ja keiner wissen, was ist Hinterlassenschaft!«
Nach der ersten Runde Merlot wird jedes der Notizbücher auf der Werkbank ausgebreitet, nach der zweiten Runde das ganze Gekritzel, bestehend aus Zahlen und Zeichen, unter Garantie als Geheimcode zwar nicht enttarnt, aber dennoch erkannt, nach der dritten Runde und dem mehrfach in den Skizzen aufgetauchten selben bäuerlichen Gebäude kommt man zu dem Entschluss, den auf der Postkarte abgebildeten Kalcherwirt zu kontaktieren, in der Hoffnung, irgendjemand dort könne sich erinnern an einen gewissen Karl Schrothe.
Zu diesem Zweck, denn eine Postkarte mit Kontaktdaten reicht ja heutzutage nicht, bringt Sophie Widhalm unaufgefordert ihren Zeigefinger in Position und wischt gekonnt über das Display ihres eleganten, strahlend weißen Vorzeigemodells der mobilen Upperclass.
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Schwups – und alles ist anders. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Große Geschenke halten für Freundschaften her. So simpel ist das. Und es funktioniert prächtig, vor allem Letzteres. Einfach etwas einpacken, sich von der spendabelsten Seite zeigen, und der Beschenkte ist handzahm wie eine Krokoledertasche. Wie gesagt, es funktioniert prächtig, auch wenn man ein mit Vorbehalt genossener Genosse ist, ein unguter Ungustl, die Leute werden schlagartig vordergründig Liebende und hintergründig Schweigende.
Das allergrößte Vergnügen aber bereitet das Geben, wenn die Zuwendung den Schenkenden gerade mal einen Griff in die Portokasse kostet und für den Beschenkten in einer materiellen Größenordnung liegt, die ansonsten nur runde Geburtstage nach flächendeckender Kollekte im Freundeskreis bescheren. Ganz abgesehen davon wird selbst das Teuerste erschreckend billig, wenn man standesgemäß eben wen kennt, der wen kennt, der wen kennt.
Meine Güte, haben sie sich alle gefreut, wie dieses Päckchen, dieses smarteste Modell aller Smartphones, mit der Bitte, einfach nur viel Freude damit zu haben, abgegeben wurde.
Wobei natürlich keinem damit dieselbe Freude bereitet wurde wie ihm selbst. So ist das eben, Schenken ist ja bekanntlich für den Gebenden selbst die allergrößte Beglückung. Besonders wenn der Gebende die euphorische Reaktion auf seine Gabe so unmittelbar mitbekommt wie in diesem Fall.
Ein neues Zeitalter ist angebrochen: Billiger als ein Fastfooddinner für zwei ist diese Software, wobei von soft nicht die Rede sein kann, handelt es sich hierbei nämlich um wirklich harten Stoff. Für jedermann zugänglich, für jedermann handhabbar, einfach in der Anwendung, grandios in der Wirkung. Einziger Knackpunkt: Die Software muss auf das Handy der betroffenen Person. Wer also seinen Ehepartner, seine Kinder, seine Kollegen überwachen will, kein Problem: Punkti, punkti – sich das Handy leihen oder heimlich ausborgen, kurz damit ins Nebenzimmer, aufs Häusel oder hinters Haus verschwinden – strichi, strichi – das Programm draufladen, via Bluetooth zum Beispiel oder direkt aus dem Netz – fertig ist das Mondgesichti. Ja, und wer jemand Unzugänglicheren überwachen will, der schenkt einfach das Neueste vom Neuesten mit vorprogrammierten Daten her. Und denjenigen, der nicht das Neueste vom Neuesten haben will, geschenkt, den will er sehen. Von nun an ist alles, von jedem Ort dieser Welt aus, möglich:
– Telefonate mithören,
– mithören einfach so, auch wenn das gewünschte Telefon abgedreht ist,
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