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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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will ich noch bleiben!«
    Auch Sophie Widhalm gibt sich nach ihrem bitteren Erwachen wieder aufkeimenden Träumen hin und rekelt ausgelassen ihren Körper.
    »Ich pass auf die Damen auf, kein Problem!«, erklärt Toni Schuster.
    »Kein Problem!«, antworten die Damen im Chor.
    »Und wie kommt ihr zum Hotel?«
    »Ich fahr die Damen heim, verlässlich!«, bietet Toni Schuster an, was für Willibald Adrian Metzger ohne zu zögern bedeutet:
    »Na, dann bleib ich noch!«
    Entsprechend schlecht gelaunt steuert er die Bar an, sucht sich dort ein paar freie Zentimeter in Ellbogenhöhe, stellt den Einkauf ab, stützt sich auf und beobachtet missmutig die Menge. Jetzt ist das ja so mit den Nerven, erst einmal angespannt, neigen sie dazu, die Kontrolle zu übernehmen. Und, das weiß der Metzger natürlich nicht: An der Bar einer derartigen Gaststätte stehen hauptsächlich Männer, die samt ihrer Nerven bis zum Äußersten gespannt sind.
    Die Schank ist das Jagdrevier jener Schürzenjäger, die selbst in allergrößter hormoneller Not niemals auch nur einen Fuß auf die Tanzfläche setzen würden, was den angespannten Nerven natürlich guttäte. Folglich wird hier im Gegensatz zur Tanzfläche jedem Raumgewinn noch weitaus mehr Bedeutung zugemessen. Wer nicht konsequent sein Ziel im Auge behält, seinen Körper mit strategischer Finesse Stück für Stück durch diverse aufreißende Lücken schiebt und sich so die Nähe zu den wenigen an der Bar stehenden Damen erarbeitet, der reißt am Ende gar nichts auf. Um jeden Millimeter geht es hier, was sich logischerweise erheblich auf die Intensität der praktizierten Rempeleien auswirkt. So kommt es, dass mit Ankunft einer groß gewachsenen Brünetten – dem Akzent während ihrer Bestellung »Caipirinha« nach zu urteilen eine Russin – in den Reihen der möglichen Eroberer spürbar mehr Bewegung aufkommt. Spürbar deshalb, weil nicht nur aufrechte Haltungen eingenommen, Oberkörper angespannt, Bäuche eingezogen, sondern vielmehr auch Ellbogen ausgefahren und Knie zum Einsatz gebracht werden.
    Mit anderen Worten: Hinter dem Metzger regt sich etwas.
    Ein Koloss von einem Mann, kahl geschoren, mit breiten Schultern, Oberarme wie Magnumflaschen, schert aus, bringt mit mächtigen Bewegungen diese Arme zum Einsatz, als wollte er einen Brustschwimmzug durchführen, schiebt, ganz auf die Russin fokussiert, den ohnedies uninteressierten Metzger wuchtig hinter sich, bringt sich in Position, mit leider genau dem einen Schritt zu viel, und übersieht ihn, den Schuhhaus-Thuswalder-Papiersack.
    Aus dem Brusttempo wird ein Rudern, das Bier ergießt sich über die eigene Jacke, die Hand greift unbeholfen nach der Schulter eines Rivalen und verfehlt ihr Ziel, was aufgrund des schrankartigen Äußeren eine umso unbeholfener wirkende Landung auf allen vieren zur Folge hat. Fast ein wenig bemitleidenswert ist er also, der Gestürzte. Mitleid zu erhaschen ist allerdings nicht unbedingt der Spitzenreiter auf dem Wunschzettel der unbeugsamen, stolzen Männlichkeit, und so ein Kniefall vor der Konkurrenz, so ein unfreiwilliger Unterwerfungsakt unter deutlich hörbarem, mit russischen Klangfarben durchsetztem Gelächter schon gar nicht.
    »Ja, bist du komplett lebensmüde!«, schallt es hinein in den Lärm, und dem Metzger läuft ein Frösteln über den klitschnassen Rücken.
    »Eines kann ich dir versichern, über einen Thuswalder flieg ich hundertprozentig nicht ungestraft drüber!« , lautet die Zukunftsperspektive des Restaurators.
    »Tut mir wirklich schrecklich leid. Ich übernehme selbstverständlich die Reinigung Ihrer Jacke. Metzger ist mein Name, Willibald Adrian Metzger. Kommen Sie!« Der Metzger streckt dem Gebeugten seine Hand hin, nur wird sie von diesem nicht gefasst, sondern aufgefasst als weitere Verhöhnung: »Der Einzige, dem heute noch aufgeholfen werden muss, bist du, du Witzfigur!«
    »Erich, mach jetzt keinen Blödsinn!«, mischt sich Jo Neuhold ein.
    »Was is los mit dir, Jo, lass ihn doch, den Axpichl. Sonst bist ja auch nicht so zimperlich, wenn es in deinem Edelweiß um die Einschaltquoten geht!«, meint ein anderer.
    »Ausschaltquoten passt besser! Also, wir wollen ein K.o. sehen. Gib’s ihm, Axpichl!«, der Nächste.
    Richtig angeheizt wird sie jetzt, die Stimmung. Erich Axpichl allerdings braucht keine Einflüsterer, seine Mission steht fest. Die Zähne gefletscht, die Augen zu Sehschlitzen gespannt, die Stirn, ja die ganze Glatze in Falten gelegt, die Ärmel der Skijacke

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