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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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deutlich Unterlegener hat hinschlagen müssen, um als Sieger das Feld zu verlassen, ist der Jubel groß.
    »Gratis Rum auf Lebenszeit!«, brüllt Jo Neuhold beinah ekstatisch, während sich Toni Schuster zum Metzger umdreht und ihm mit den Worten: »Na, hab ich’s nicht gesagt, ich pass schon auf!«, auffordernd die Hand entgegenstreckt. Dann kehrt eine gelbe Schirmkappe zu ihrem Besitzer zurück.
    »Da hab ich wohl zu danken!«, erweist der Metzger, an dessen Seite sorgenvoll Danjela Djurkovic aufgetaucht ist, seinem Leibwächter nun die entsprechende Ehrerbietung.
    »Ja, bist du wirklich große Held«, wird er von ihr unterstützt. »Und Gewinn ist auch nicht schlecht: gratis Rum auf Lebenszeit!«
    »Da freut sich ein Antialkoholiker natürlich besonders.«
    »Antialkoholiker?«
    »Bei mir wars eine Virgin Colada, also eine Piña Colada ohne Alkohol, kostet übrigens acht Euro, so viel zu gratis.«
    Toni Schuster, optisch der Urtyp einer sich mit Vorliebe prügelnden und Bier trinkenden Verkehrsgefährdung, ist also Abstinenzler.
    Reprise
    Und Toni Schuster hat momentan keinen Sinn für die bewundernden Blicke, die ihm von einer Mehrheit der weiblichen und einer Minderheit der männlichen Gäste zugeworfen werden. Nur ein einziges Augenpaar interessiert ihn. Als würde die Welt in einen trüben Schleier versinken und nur den einen bedeutsamen Ausschnitt frei halten, so scheint es ihm. In aller Schärfe hebt sich dieses Bildnis der Schönheit aus der Verschwommenheit ab und kommt langsam näher: Sophie. So etwas wie Dankbarkeit liegt in ihren Augen, und ja, sie sieht zu ihm auf.
    »Ich steh in deiner Schuld, du hast da gerade meinem Halbbruder ziemlich aus der Patsche geholfen. Lass uns gehen!«
    »Patsche!«, wiederholt Toni Schuster und findet ausnahmsweise keine Worte. Nur »Apache« läge ihm noch auf der Zunge. Ja, manchmal schicken die Toten eben ihre Zeichen, und, da ist sich Toni Schuster jetzt sicher: Dass er genau in diesem Augenblick an seinen Bikerkumpel Poldi Kratochwill und die Apachen denken muss, kann nichts anderes heißen als: Poldi Kratochwill deutet aus dem Jenseits auf Sophie, als wollte er sagen: »Toni, die ist was zum Aufhocken, so wie deine Rosi, und zwar auf ewig.«
    Coda
    »Whiskey-Soda!«, ordert Erich Axpichl energisch an der Bar.
    »Keinen Tropfen bekommst du mehr von mir nach dieser Aktion, keinen einzigen Tropfen!«
    Jo Neuhold ist stinksauer.
    »Du kannst doch nicht schon wieder genau denen auf den Kopf scheißen, die uns füttern, du Allgemeingefährdung. Kannst von Glück reden, dass dir der Zwerg in die Quere gekommen ist und du nicht vor aller Augen so einen fetten Schwachmatiker verdrischst wegen eines lächerlichen Papiersacks. Was reagierst du auf einmal überhaupt so allergisch auf den Namen Thuswalder? Wenn du so weitermachst, können wir unseren Skiklub bald zusperren.«
    »Unseren! Die sinnlose Arbeit mit den verweichlichten Gschrappen und den besoffenen Holländern hab doch eh nur ich! Die Einzelstunden mit den gstopften Thuswalder-Touristen nimmt sich natürlich der Herr Neuhold.«
    »Weil man dich Proleten ja auf gstopfte Touristen loslassen kann! Da sind wir konkursreif. Du bist schon genau der Richtige für die ganzen besoffenen Holl- und Engländer. Und was die verweichlichten Gschrappen betrifft, braucht unsere Skijugend einen Spitzentrainer, der ihnen ordentlich in den Hintern tritt. Also, schau, dass d’ weiterkommst, und wehe, wenn ich morgen Vormittag auf die Piste komm, und der Kurs is nicht gesteckt!«
    »Whiskey-Soda!«, brüllt Erich Axpichl, »ich bin ein mündiger Mensch und weiß, wann ich genug hab!«
    »Soda-Zitron!«, antwortet Jo Neuhold. »Und dann geh hin in Frieden!«
    In einem Zug wird das Perlwasser mit anschließendem inbrünstigen Rülpser hinuntergespült, dann trennt ein brüderlicher Handschlag die beiden Männer. Auf immer und ewig.

23
    Heute Abend war die Stimmung richtig bedrückend. Ganz ernst sind Oma und Opa beim Tisch gesessen, Urgroßvater hat von den Schneemännern erzählt, die irgendwer oben vor dem Haus gebaut hat und die ihn seither beobachten, und Ada und ich haben Krautfleckerl gegessen. Ada hat wie immer versucht, das Kraut und die Mascherlnudeln voneinander zu trennen, gewartet, bis Oma kurz in die Küche gegangen ist, und dann schnell die Nudeln mit einem Drücker Ketchup vermantscht. Nicht einmal darauf hat Oma reagiert, und das will was heißen.
    Mittlerweile bin ich tausendprozentig sicher, dass die schlechte Stimmung

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