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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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ist fein. Der Axpichl ist ja auch wirklich keine Träne wert.«
    »Richtig, Franz, der war kein Guter«, stellt der alte Kalcher nun nüchtern fest, wie ausgewechselt scheint er zu sein, seine geistige Abwesenheit von vorhin ist einer überraschenden Klarheit gewichen. »Mit dem ist ja jeder im Ort zumindest einmal zusammengekracht. Sag, Agnes, wo is eigentlich die Ada?«
    Und während Willibald Adrian Metzger noch darüber sinniert, wo sich wohl der Rest dieser Familie gerade aufhält und wie dieser Rest überhaupt aussehen könnte, erhält er auch schon Antwort.
    »Unten bei Opa, im Geschäft, mach dir keine Sorgen«, entgegnet Agnes Kalcher und wendet sich wieder ihrer Enkelin zu. »Weißt du, was wir jetzt machen, Lisl? Wir gehen gemeinsam zu ihr runter, nimmst dein Buch mit, dann kommst du auf andere Gedanken.«
    So erhebt sich also die Familie, der Urgroßvater, die Oma, die Enkelin, und nun wird er als anwesend registriert, der Metzger. Man nickt sich zu, geht weiter Richtung Tür, und nur der Kellner nimmt Kontakt auf, von freundlich kann allerdings nicht die Rede sein:
    »Na, ein bisserl Bewegung nach dem Frühstück würd nicht schaden. Oder hast nicht genug gefrühstückt?«
    »Das schon, aber der Mokka!«
    »Den muss ich jetzt aber verrechnen«, wird missmutig auf die Bestellung reagiert
    »Gern, Zimmer 202, auf Metzger!«
    Lisl und ihr Urgroßvater haben die Gaststube bereits verlassen, nur Agnes Kalcher ist plötzlich stehen geblieben. Wie erstarrt verharrt sie inmitten des Türrahmens, als hätte sie etwas vergessen, als wäre ihr gerade das Geschenk einer Erleuchtung zuteilgeworden.
    »Alles in Ordnung, Agnes?«, will ihr Angestellter wissen.
    »Alles in Ordnung, Franz!«, erklärt sie, ohne sich umzudrehen, mit seltsam ruhiger, unmelodiöser Stimme. Dann geht sie doch, ganz im Gegensatz zum Kellner.
    »Mokka«, wiederholt der Metzger und versucht es mit Höflichkeit: »Übrigens: Freut mich, Metzger, Willibald Adrian!«
    Der Gruß wird zwar mit skeptischem Blick, aber doch erwidert: »Kellner, Franz!«
    »Ist mir schon aufgefallen, dass man hier standesunabhängig mit jedem per Du ist und keine Nachnamen hat!«, versucht der Metzger eine humorige Annäherung und scheitert kläglich.
    »Na, gratuliere, da ist ja wer ganz leicht zu unterhalten. Ist es für euch Stadtmenschen also schon lustig, wenn ein Kellner mit Nachnamen Kellner heißt.«
    »Gratulation zurück, so grantig, wie Sie sind, könnten Sie problemlos in einem innerstädtischen Kaffeehaus anfangen!«, reagiert der Metzger entsprechend. »Außerdem brauchen Sie nicht gleich so ein Sensiber sein, erstens hab ich den Kellner als Nachnamen nicht mitbekommen, zweitens ist das durchaus ein wenig lustig, und drittens, was glauben Sie, was ich mir in meinem Leben mit meinem Metzger schon alles hab anhören müssen!«
    Er schmunzelt zwar nicht, der Franz Kellner, aber immerhin bewegt er sich nun in Richtung des Kaffeevollautomaten und wendet sich bei seiner Rückkehr hörbar freundlicher an seinen Gast: »Hast sonst noch einen Wunsch?«
    »Na ja, eine Frage hätte ich schon.«
    »Dann fragst halt!«, wird mit höflichem Nicken die Einladung zur Fortführung des Gesprächs erteilt.
    »Wo es der Lisl doch so schlecht geht. Wo sind eigentlich die Eltern?«
    »Gut, dass du die Frage jetzt mir stellst und nicht der Lisl, sonst wärs ihr nämlich gleich noch viel schlechter gegangen.«
    Es folgt eine betretene Pause, auch deshalb, weil dem Metzger in so einer unangenehmen Situation natürlich nichts anderes übrig bleibt, als abzuwarten und auf Fortsetzung zu hoffen. Und die kommt:
    »Also keinen Wunsch mehr. Gut. Dann machst halt, wenn du gar so neugierig bist, einen Spaziergang zum Friedhof, Reihe 27, Nummer 4, und ziehst dich schön warm an. Zum Lachen wirst dort nämlich nix haben.«

29
    Ohne weitere Erklärung verschwindet Kellner Franz aus der Gaststube. Dafür wird von einer hörbar gereizten Danjela telefonisch darüber Bericht erstattet, dass es ihr mittlerweile gelungen sei, dem Hartplastikschalenstuhl im Wartebereich des Spitals einen anderen Aggregatzustand und somit ihre Körperform aufzuzwingen, dass es Sophie Widhalm offenbar tatsächlich problemlos schaffe, zu jeder Uhrzeit und in jeder Körperposition Schlaf zu finden, und dass es dank des, wie sie bemerkt: »Verflixte Weiber-Leidens-Solidaritäts-Chromosom«, noch dauern könne, bis sich der Toni-Schuster-Escortservice wieder vor den Toren des Kalcherwirts einfände.
    Der Metzger hat

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