Der Metzger bricht das Eis
schon brav, Jakob, aber der Herr von der Polizei …!«, kann Sophie Widhalm nicht anders und wird zum Glück von Robert Fischlmeier höchstpersönlich unterbrochen:
»Ganz still bist du jetzt, bevor ich’s mir wieder anders überleg.« Auffordernd nickt er einem seiner Kollegen zu, eine Tür wird geöffnet, und für ein wundes Damenherz geht die Sonne auf.
»Den Witzbold kannst gleich mitnehmen!«, setzt er fort, wendet sich dem Gemeinten zu und rät: »Und du, Schuster, das nächste Mal wartest du mit deinen Abenteuern, bis die Lifte aufsperren, alles klar! Und jetzt hoffentlich auf Nimmerwiedersehen und einen schönen Samstagabend.«
Dem Freigelassenen werden seine Geldbörse und das im Schutzmantel eines Lederetuis steckende Multifunktionsmesser übergeben, dann wird unmissverständlich zum Ausgang gedeutet, und wirklich glücklich sieht er dabei nicht aus, der Fischlmeier Robert.
Ganz im Gegensatz zu Toni Schuster draußen vor der Tür. Kurz zögert er, dann kann er nicht mehr anders und nimmt sie einfach, die Hand seiner Auserwählten. Nicht einmal ein Zucken ist bei Sophie zu spüren, keine Spur eines Ausweichens, ganz im Gegenteil. Sofort verschränken sich ihre Finger mit den seinen, und ein seltener Schauer strömt durch den männlichen Körper. Ja, das wäre sein Lebenstraum: durch eine Erstfrau seine Rosi zur Zweitfrau werden lassen. Und ja, wie seine Rosi würde er auch diese Erstfrau ordnungsgemäß anmelden, ihr zuerst sozusagen als Kennzeichen in aller Form und mit allem Drum und Dran seinen Nachnamen angedeihen lassen, und dann – Toni Schuster steht hinter Laurenz Thuswalder vor dessen Wagen und sieht zu, wie der kleine Jakob in den Kindersitz gehoben wird –, dann würde er alles tun, um aus seiner geliebten Frau und aus sich eine Bilderbuch-familie werden zu lassen, mit Kindern und Haus und viel Sicherheiten, und mit Sicherheit ohne Hund. Alles würde er unternehmen, um diese Familie beschützt durchs Leben zu kutschieren, wenn möglich in genauso einem Wagen: innen alles aus dunklem Leder, auf dass die Kinder sorgenfrei herumpatzen können, die Scheiben getönt mit zusätzlich integrierten Jalousien, Airbags an allen Ecken und Enden, vorn eine Traumausstattung, hinten nur die Testsieger unter den Isofix-Kindersitzen, und natürlich all das auf Allrad in Bewegung gesetzt mit mindestens 150 PS . Sicherheit bedeutet eben nicht nur eine Bremse, sondern auch ein Gaspedal, das bestmöglich reagiert.
Langsam dreht er den Kopf zur Seite, hebt ihn, blickt in wunderschöne smaragdgrüne Augen und drückt sie fest, die leicht verschwitzte Damenhand. Sophie ist also nervös, ach, wie schön.
Es muss ein Schrei von doch erheblicher Lautstärke gewesen sein, den Willibald Adrian Metzger durchs Zimmer geschickt hat, denn nicht nur er selbst wird schmerzbedingt aus dem Tiefschlaf gerissen.
»Was brüllst du wie Walross!«
»Wie bitte?«, befördert der Metzger seine Gehörstöpsel ans Tageslicht.
»Walross!«, wiederholt die Djurkovic schlecht gelaunt.
»Na ja, ein bisschen Walross gilt auch für dich! Der Gips ist waffenscheinpflichtig, das sag ich dir.«
Der Metzger reibt sich den Hinterkopf, also den Ort der eben praktizierten so schmerzhaften Spontanliebkosung, atmet ein paarmal tief durch und setzt fort: »Seit wann bist du hier?«
»Na, wird schon sein Stunde. Hast du so tief geschlafen, hätt ich können Zimmer ausräumen, bin ich aber ebenfalls unter Bettdecke gekrochen und eingenickt.«
»Sag, Danjela, ganz ehrlich: Schnarch ich genauso wie du?«
Danjela Djurkovic steht auf, deutet hinaus in den Schnee und erklärt: »Hab ich Gefühl, willst du ein bisserl Abreibung!«
»Und warum hast du meine Stöpsel halbiert?«
»Ja, ganz sicher, werd ich dreckige Stöpsel von meine Willibald verwenden und halbieren! Und ja, schnarchst du manchmal, da hilft sowieso nix Stöpsel, nicht einmal ganze.«
»Und meinen Notizblock, nehm ich an, hast du auch nicht in der Hand gehabt, um ein wenig mitzutüfteln, was ich übrigens sehr begrüßen würde. Der liegt hier mit einer anderen Seite aufgeschlagen.«
Es lässt ihm eben keine Ruhe, richtig, der Ehrgeiz hat ihn gepackt. Ähnlich wie andere vor dem Einschlafen ein Buch lesen, ist es zur Zeit sein abendliches Ritual, diese Wirrnis aus Buchstaben, Zahlen und Zeichen zu studieren, die ihm der verstorbene Obdachlose hinterlassen hat. Mittlerweile schwirren ihm die Zeichen auch schon ohne Notizen im Kopf herum, wechseln hurtig ihre Plätze, als wäre
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