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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Schuster, aber da war jetzt doch eine Prise Zynismus herauszuhören.
    Auch die ihm nun zu Gehör gebrachten Fragen sind nicht völlig frei von Ironie: »Und?«, wird ihm zart ins Ohr geflüstert. »Wie ist das jetzt: Fahren wir zu dir oder zu mir?«
    Ironie deshalb, weil erstens zu ihm gar nicht so einfach geht, da er ja heute Morgen in der Pension Reindl ausgecheckt hat, um am Abend im Thuswalder Sport- und Wellnessresort einchecken zu können, ergo sein Gepäck immer noch in seinem Honda Civic liegt, und zweitens weil er nun sieht, womit diese Fahrt überhaupt unternommen werden soll.
    »Muss ich mich fürchten?«
    Sophie Widhalm starrt ihn verwundert an.
    »Vor mir?«
    »Vor dir und vor ihm?«
    Direkt ein wenig traurig sind jetzt ihre Augen: »Aber Toni, traust du mir so etwas zu, ich bin solo, und es gibt niemanden, der dir gefährlich werden könnte!«
    »Stimmt nicht: Du hast sehr wohl jemanden, der mir gefährlich werden könnte, und zwar gemeingefährlich!« Toni Schuster deutet auf den Wagen: »Nämlich genau dieses Gefährt. Einen Fuhrpark für silberne Geländewagen mit Dachbox, die bevorzugt auf Autobahnen und Bergstraßen Honda Civics ausbremsen, wird es hier ja wohl nicht geben?«

42
    Es ist also vorbei mit der Nachmittagsruhe in Zimmer 202. Um 19 Uhr wird man sich laut Danjela vor den Toren des Kalcherwirts treffen, um gemeinsam den letzten Abend ausklingen zu lassen, was beim Metzger auf entsprechende Begeisterung stößt.
    »Na, wunderbar!«, stellt er entsetzt fest.
    »Ist wunderbar richtige Wort!«, wird gegengesteuert. »Weil haben wir nach Tag voll Probleme auch Recht auf eigene Wohlbefinden.«
    Dann folgt das Angleichen des Wissensstandes: Der Metzger erzählt vom Friedhofsbesuch, der erschütternden Grabinschrift, dem steinernen Engel und der redseligen Traude Fischlmeier, vom Kopfbedeckungserwerb und der rothaarigen Ada mit ihren dunklen Augen, den Plauderfreuden des Herrn Rüdiger in der Gondel, Topfenstrudeln, Bergführern und seltsamen Wiedersehensfreuden aus der Ackja-Perspektive. Die Danjela erzählt von der zwecks Ausnüchterung kurz abgängigen Sophie und dem immer noch abgängigen Sepp Kalcher, dem zugängigen Robert Fischlmeier und dem umgänglichen Heinrich Thuswalder, sie erzählt von Südhanggründen, Nachbarschaftsgehässigkeiten, Schindlgruben-Boykotten, Aufdeckungen hier, Anschlägen dort, Lawinenabgängen, von Spital, Polizeirevier und Wildpark, den Zwergziegen, der Hauswurst und dem Stockschießen.
    »Meine Hochachtung, du warst fleißig!«, zeigt der Metzger sein pures Erstaunen, erklärt: »Stockschießen beim Kalcherwirt, sagst du! Hervorragend!«, und gibt den am Friedhof bekommenen Hinweis Traude Fischlmeiers weiter, der besagt, dass diejenigen, die in diesem Ort den Tratsch pflegen, männlichen Geschlechts sind, brüderlich versammelt am Stammtisch oder eben beim Stockschießen. Dann nimmt er einen kleinen Plastiksack von seinem Nachttisch, greift hinein, streift seinen Einkauf über und erklärt nüchtern: »Dann gehen wir, ich bin ausgerüstet!«
    »Na, geht meine kleine Willibald jetzt wenigstens nix mehr verloren, wie in Thuswalder-Citypassage!«
    Es dauert, bis das Echo ihres Gelächters am Bürgljoch verschallt. Dann gibt sich Danjela Djurkovic kurz dem Schweigen hin, etwas Verräterisches liegt in ihrem Blick. Genau mustert sie das grüngelbe Leuchten auf Willibalds Haupt, und ebenso unübersehbar ist das Funkeln in ihren Augen.
    »Hat Männchen leicht nicht gepasst geschenkte Haube von Weibchen. War schwarz nix gut genug, muss also sein Disco-Disco?«
    Da grinst er jetzt natürlich gleich wissend zurück, der Metzger. »Deine Mütze ist perfekt für herbstliche Temperaturen. Und damit wir das gleich im Vorfeld klären«, beginnt er mit ernstem Blick: »Erst, wenn wir wieder zu Hause sind, okay?«
    »Was?«
    Wie ein ertapptes kleines Mäderl schaut sie jetzt drein, die Danjela, was den Metzger nicht wundert, denn bekanntlich ist die Häme die Sprache des Neiders.
    »Erst wenn wir wieder zu Hause sind, erfüllt sich deine Sehnsucht, und genau dieses modische Accessoire geht in deinen Besitz über, abgemacht?«
    Er liebt es, wenn seine Danjela rot wird bis über beide Ohren.
    So spazieren also wenig später drei Lebewesen im Gänsemarsch durch den Schnee. Hinten zwei Menschen vorne ein Hund, trotz heftiger Einwände des Herrchens ausnahmsweise ohne Leine, also ganz auf seine Freiheit fokussiert. Weit ist es ja nicht, nur vom Gasthof Kalcherwirt das Stück hinauf

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