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Der Metzger bricht das Eis

Der Metzger bricht das Eis

Titel: Der Metzger bricht das Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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sinnloser demütigender Bauch-Bein-Po- und all den anderen neu benannten, überteuerten Haltungsturneinheiten endlich gefunden zu haben, ihre Sportart: Eisstockschießen.
    Fasziniert beobachtet der Metzger nicht nur seine Herzdame, sondern auch die so unscheinbare und vor allem offene, herzerfrischende Art des Heinrich Thuswalder, dem Herrn dieses Skigebiets, ja dieses Ortes. In einfacher Kleidung steht er hier: dicke Strickweste, grauer Janker, blaue Skihaube, Bergschuhe und eine fast modellgetreu Willibalds aktuellem Beinkleid entsprechende olivgrüne Cordhose. Kein protziges Markenemblem, keine gebleichten Zähne, keine gefärbten Haare, keine gestraffte Haut. Ein ganz gewöhnlicher Mensch ist er äußerlich, dieser Thuswalder. Und wie ein kleiner Junge freut er sich über die Führung seiner Mannschaft, springt bei jedem Spielzug vor Aufregung am Fleck, ballt vor Freude seine Fäuste, klatscht in die Hände, nur dieses ständige euphorische Umarmen seiner Danjela könnte er sich gemäß Willibald sparen.
    Anfangs ist es Begeisterung, die ihr von allen Seiten entgegengebracht wird, nach dem zweiten maßgeblich durch sie gewonnenen Spiel reduziert sich diese allgemeine Verzückung allerdings auf genau die Hälfte. Die vier Herren der Gegenmannschaft verlieren nämlich zusehends an Laune und der Metzger an Vertrauen in den weiteren friedlichen Ablauf des Abends – was schließlich zu einer frühzeitigen Unterbrechung führt.
    »Jetzt trinken wir erst einmal was!«, schlägt zum Glück einer der angehenden Verlierer vor, und weil es das klare Ziel ist, durch Alkoholeinfluss der weiblichen Glückssträhne ein Ende zu setzen, setzen sich alle kuschelig unter den Heizstrahler. »Na, hat da wer ein bisserl in Schnee griffen? Schaust mir halt gar net aus wie a Brettelrutscherin«, wird Danjela Djurkovic schließlich auf ihren Gips angesprochen.
    »Stimmt Rutschen, aber war Bierkiste!« Kurz schildert sie den Vor- beziehungsweise Rückwärtsfall während des Glühbirnenwechselns und erntet Begeisterung.
    »A Weibsn, die selber Glühbirnen wechselt, Glühwein trinkt und auf Bierkisten umatanzt, des gfallt mir!«
    »Punsch!«, wird korrigierend eingegriffen.
    »Wuascht, Hauptsach Alkohol!« Worauf selbstredend von Heinrich Thuswalder der Vorschlag kommt:
    »Sollen wir unterschreiben?«
    Es folgt ein kollektives Prost, dann wird einer der zum Eintragen der Spielstände vorgesehenen Stifte gezückt und auf Wanderschaft geschickt.
    »Ich bin der Walter, schau: W-a-l-t-e-r!« Sehr kindlich anmutend prangt dieser erste Schriftzug nun am rechten Arm der Danjela Djurkovic. Nach dem Eintrag von Heinrich Thuswalder kommt es zur nächsten Übergabe, Lisl ist, gefolgt von Edgar, unter dem Traktor hervorgesprungen, reißt den Stift an sich, verewigt sich, dekoriert von selbstgemalten Blümchen, mit »Lisl«, übergeht die lautstarke Forderung nach Weitergabe des Schreibzeugs, setzt erneut an und hinterlässt unterhalb ihres Namens, diesmal dekoriert von einem entzückend gezeichneten Pfotenabdruck, den Schriftzug »Edgar«. Danjela lacht, Lisl lacht. »Glaubst du mir, bist du richtig liebe junge Dame!«, stellt die Djurkovic fest.
    »Geht’s jetzt endlich weiter, ich bin dran. Also: Ich bin der Franz, woat, Franz is so kurz, des geht quer!«
    »Meiner nicht!«, ergreift nun auch der Metzger ein wenig trotzig die Initiative und verewigt sich demonstrativ in Blockbuchstaben und in voller Länge vom Ellbogen bis Daumeneinschluss.
    »Willibald Adrian! No, da host du’s a net leicht ghobt in da Kindheit, mit so an Nomen, oder? Oiso, reich uma, Willi«, der Stift wird übergeben, »i bin da Josef, J-o-s-i, mit Herz!«, ein unförmiges, eher an zwei Brüste erinnerndes Symbol wird aufgemalt.
    »I bin der Karl!«, wandert der Stift nun weiter.
    »Wie Karl Schrothe?«, hakt der Metzger nach.
    »Genau, nur dass i mit Schroth nix anfangen kann, außer für mei Gwehr!«
    »Und i bin da der Sepp – ober net der Kalcher. Der wird, wenn sie ihn gefunden haben, das Quartier wechseln und bei dir so schnell nicht unterschreiben können!«
    »Quartier wechseln müssen wir alle einmal.« Unübersehbar bekommt der Urgroßvater glasige Augen. Lisl Kalcher reagiert blitzartig, dreht sich schwunghaft um, packt den alten Kalcher fürsorglich unter der Achsel, zieht ihn aus der verbalen Schusslinie und ein Taschentuch aus ihrer Hosentasche. Jetzt wird geredet, da ist sie sich offenbar sicher.
    Dem Metzger allerdings verschlägt es die Sprache. Denn

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