Der Metzger geht fremd
Ratschlag nur ungern aus, denn ich schätze Sie sehr, Frau Djurkovic« – wobei der Danjela nicht entgeht, dass der Berthold-Blick wiederum keineswegs auf ihre Augen gerichtet ist –, »aber ich muss jetzt in meinem Haus für Ruhe sorgen, das verstehen Sie doch. Gönnen Sie sich also diese Ruhe auch selbst, und lassen Sie es sich gut gehen bei uns. Bitte.«
»Haben Sie ja recht, Professor! Aber ist für Ruhe in Kuranstalt nicht besser, wenn ich fahr nach Hause?« Denn nach Hause könnte sie, jederzeit, ihre Kur finanziert nämlich keine Kassa und keine private Krankenversicherung, sondern die Geldbörse des schlechten Gewissens in Gestalt des ehemaligen Präsidenten jenes Fußballklubs, dessen gemeingefährliche Fantruppe sie vor mehreren Monaten beinah ins Jenseits geprügelt hätte.
Prof. Dr. Berthold überlegt, sitzt dabei wie versteinert hinter seinem Schreibtisch, nur der rechte Zeigefinger klopft unrhythmisch auf die Mahagoniplatte. Deutlich ist Professor Berthold anzusehen, dass ihm dieser Vorschlag sehr viel geistige Anstrengung abverlangt.
Nach sicher dreißig Sekunden, und das ist gewaltig lange, wenn zwei Menschen schweigend voreinander sitzen, erwacht er wie ausgewechselt aus seiner Gedankenstarre. »Das kommt überhaupt nicht in Frage, liebe Frau Djurkovic! Sie sind unser Gast. Gut, Sie haben einen Fehler gemacht, aber wer ist schon perfekt? – Mhhhmh . Ich besteh darauf, dass Sie bleiben, die nächsten Tage abschalten und den Restaufenthalt hier genießen. Schwamm über die Angelegenheit! Gleich für morgen setz ich für Sie ein paar Extrabehandlungen an, die ganz dem Motto ›Rundherum wohlfühlen‹ gewidmet sind – mhhhmh –, Sie werden sehen, das tut Ihnen gut!«
Jetzt ist Malheur perfekt!, denkt sich die Djurkovic mit zunehmender Skepsis angesichts des Begriffs »Extrabehandlung«. Zuerst erwischt sie der Berthold von hintenherum, dann droht er unverblümt damit, ihr in den Rücken zu fallen, und jetzt hockt er vor seiner Reißaus nehmenden Angeklagten, mit süßlichem Lächeln, krallt sich ihren wehenden Rockzipfel und hat sie am Krawattl. Wie soll die Djurkovic da Nein sagen, mit der Last ihrer zugegebenermaßen saublöden Aktion auf den Schultern? Dem Berthold-Willen ist sie in der momentanen Situation hoffnungslos ausgeliefert.
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D ER J UBEL ÜBER DIE VERKÜNDETE ENTWARNUNG ist groß, keiner ist ein Mörder, der Anzböck ein Pechvogel, das Wetter herrlich. Als wäre eine Woche Hausarrest überstanden, wird am Nachmittag anständig um den See gelustwandelt, und bereits am Abend wandelt wieder unanständig die Lust. Die Gehirnzellen der meisten Sonnenhof-Gäste vollbringen, was die Überreste des Anzböck-Unglücks betrifft, eine noch effektivere Säuberungsleistung als die auf Hochtouren laufenden Filtersysteme im Aquarium. Dort dienen noch ein paar Hautfetzen den beiden Schwarzspitzenriffhaien als traurige Gabelbissenerinnerung an ein vergangenes Festmahl.
Für den Metzger wird es nun Zeit. Dass seine Danjela jetzt doch bleiben muss, hat ihn zuerst ziemlich vor den Kopf gestoßen, immerhin sah er sich schon wieder daheim, vereint in trauter Zweisamkeit. Die Erklärung der Djurkovic war dann allerdings einleuchtend. Denn als jemand, der durch ein gekipptes Fenster in ein fremdes Zimmer eingestiegen ist, dort herumgeschnüffelt hat, entdeckt wurde und nach einer mahnenden Vorladung durch eine barmherzige Einladung begnadigt wird, könne man nicht einfach am nächsten Tag das Weite suchen, ohne sich verdächtig zu machen.
Wenigstens sind im Berthold-Büro offene Worte gewechselt worden, und seine Danjela ist nun zur Vorsicht gezwungen. Und genau deshalb lässt sich der Metzger sicherheitshalber auch die Briefentwürfe, das Kuvert, den im Wald gefundenen Ring und das zusammengelegte, in ein dünnes Müllsackerl gefaltete Stofftaschentuch aushändigen. Die Gegenstände wandern zur Nagelzwicke in die rechte Jacketttasche und der Metzger hinaus zum Fahrradständer.
Was den aufbrechenden Willibald nun etwas im Magen liegt, ist die Tatsache, dass für ihn die Übernachtung in der Djurkovic-Traumsuite ein Hirngespinst bleibt und ihm zwei weitere Nächtigungen ohne Frühstück in der Frühstückspension Regina bevorstehen.
Bevor steht ihm zudem abermals das Thema: Wie komm ich dorthin zurück? Und weil der Willibald tief in seinem Inneren doch einen gewissen Ehrgeiz sitzen hat, weigert er sich, die angebotene Dienstleistung des Herrn Friedmann junior in Anspruch zu nehmen. »Wo
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