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Der Metzger geht fremd

Der Metzger geht fremd

Titel: Der Metzger geht fremd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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gezwitschert. Ich hoffe, du kannst schon wieder stehen nach deinem kriminellen Streifzug. Übrigens, Zug hast du ja wirklich einen recht amtlichen! Wie geht's dir?«
    »Schlecht, wenn du schreibst mir solche Briefe, wo steht was von lieb haben. Wie soll ich da aushalten letzte Woche? Aber war ich schon Magen entleeren, hab ich schon getrunken Bloody Mary, gebracht von Hermann zu Frühstückstisch! Geht schon wieder halbwegs mit gerade gehen, nur Kopf ist wie Fremdkörper!«
    »Aber die neue Frisur steht dir doch hervorragend!«
    »Hahaha, bitte nix lustig sein, Willibald! Hahaha, ah tut weh, Lachen. Vertrag ich heute wirklich keine Wirbel. Werd ich viel liegen in Ruheraum vor meine Haifische, bin ich außerdem nix so allein!«
    »Da wird aber sicher noch zugesperrt sein, bei der ganzen Sauerei vorgestern!«
    »Leben geht weiter. Ist schon wieder offen! Gründlicher als Putztruppe in Schwimmbad ist nur Filteranlage in Aquarium! Schick ich dir dicke Kuss, meld ich mich am Abend!«
    Wie wunderbar mein Leben doch ist, flüstert der Metzger vor sich hin.
    Trotz dieses durch seine Anreise erheblich verkürzten Arbeitstags gelingt es dem Metzger immerhin, einen der pollakschen Pfeile im heiligen Sebastian zu vollenden. Wobei er da unweigerlich an Sascha Friedmann und seine Geschwister denken muss. Ein hölzerner, unlackierter Sebastian mit abgebrochenen Pfeilen erweckt den Anschein, als wäre er unverletzt. Er hängt in den Seilen wie ein Mensch, den das Leben ins Herz getroffen hat, dem aber nach außen hin nichts anzusehen ist. Erst im Näherkommen zeigen sich seine Wunden.
    Der Nachmittag in der Werkstatt erfüllt den Metzger dennoch und lässt ihn mit großer Zufriedenheit auf sein Dasein blicken. Entsprechend ausgeglichen führt ihn am Abend der Weg nach Hause. Als hätte Petar Wollnar schon gelauert, öffnet sich genau im richtigen Moment seine Wohnungstür, natürlich ohne euphorische Begrüßung vonseiten des Hausmeisters und des zwischen seinen Beinen hockenden Hundes. Das entspräche auch nicht der Art dieser beiden männlichen Vertreter der himmlischen Schöpfungsvielfalt. Hausmeister Petar Wollnar legt von Natur aus die gleiche Euphorie an den Tag wie ein hinter Plexiglaswänden mit anderen Leidensgenossen zusammengepferchter Raucher, dem von seiner so ungerechten und vor allem engstirnigen Umwelt verdeutlicht wird, dass die ganze Welt doch keine Raucherzone und jeder Wiesenstreifen, jede Sandkiste, jeder mit Rindenmulch belegte Spielplatz, jeder wie auch immer geartete Strand, jedes stehende oder fließende Gewässer, jedes Fleckchen Erde außerhalb der eigenen vier Wände nicht auch gleichzeitig ein Aschenbecher ist.
    Ja, und Edgar – der ausnahmsweise nicht jenen verluderten Hundebesitzern gehört, die den Scheißhaufen ihrer Viecher genau dort liegen lassen, wo auch nicht minder verluderte Raucher bevorzugt ihre Zigarettenstummel hinschnippen – reagiert schon gar nicht euphorisch auf Erziehungsberechtigte, die ihn irgendwo abgeben und dann bei ihrer Rückkehr die Arroganz besitzen, eine freudige Begrüßung zu erwarten. Wo käme ein Hund da hin!
    Und trotzdem hätte für den Willibald der Empfang herzlicher nicht sein können. Wenn man seine Pappenheimer kennt, versteht man auch die Sprache ihrer Emotionen.
    Vier Flaschen Wein werden nach ausgiebiger Pflege des Körpers demselben zugeführt. Zu zweit natürlich! Denn nachdem die beiden Männer in ihren Wohnungen separat geduscht haben, muss dann zum gemeinsamen Mahl in der Hausmeisterwohnung auch anständig gemeinsam getrunken werden. Zwei herrliche Braunstein Zweigelt Goldberg 2005er, ein Pinot noir 2004 und schließlich ein Oxhoft 2004 werden zur einzigartigen Wollnar-Krautroulade nach original polnischem Rezept verdrückt.
    Die erste Nacht zu Hause verbringt der Metzger dann nach einer an seine Danjela mobil gerichteten Liebesbekundung zufrieden auf dem Wollnar-Sofa, sehr zum Ärger von Edgar, der sich seit zwei Wochen genau auf diesem Platz häuslich eingerichtet hat.
    52
    N ACH DEM ZIEMLICH ausgedehnten, feuchtfröhlichen Abend beginnt der Dienstagmorgen trotzdem wie der erste Weihnachtsfeiertag. Die Bescherung vom Vorabend wartet frisch ausgepackt unter der Nordmanntanne, und die Kleinen können es gar nicht erwarten, sie in ihren Einzelteilen im Wohnzimmer auszubreiten. Genauso freudvoll, nur nicht im Pyjama, marschiert der Metzger in aller Herrgottfrüh in die Werkstatt und widmet sich seinem Geschenk. Gründlich reinigt er zunächst die

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