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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Im Kaufvertrag steht Henriette Reichert. Für mich war sie sowieso immer nur die Reichert-Tochter und immer ein rotes Tuch. Nach dem frühen Tod der Eltern ist mein Kontakt dorthin völlig abgebrochen. Nur, wenn ich mich jetzt recht zurückerinnere, fällt mir schon ein: Ihre Kinder, aber die Namen weiß ich nicht, haben eine Zeit lang mit Eugen und Rupert zusammengesteckt.«
    »Und offenbar nicht sehr viel Spaß daran gehabt!«, ergänzt der Metzger.
    Freiherr von Mühlbach ist leichenblass: »Um Gottes willen!«
    »Hatte das zweite Mädchen eine Hasenscharte, ein Muttermal unter dem rechten Auge und dunkles, glattes Haar?«, brennt es dem Metzger nun auf den Lippen.
    »Glattes Haar kann sein, ich glaub aber eher, es war ein Lockenkopf, Muttermal vielleicht, aber Hasenscharte garantiert nicht, an so eine Auffälligkeit könnte ich mich erinnern. Genauso wie ich mir gemerkt hab, dass das zweite Kind sicher ein Bub war. Es waren zweieiige Zwillinge. Henriette Reichert hat zuletzt mit ihrem Sohn in diesem Haus gelebt.«
    Ein Sohn? Damit hat der Metzger nun wirklich nicht gerechnet. Ein Sohn, der wahrscheinlich nicht Reichert geheißen hat, denn dem Namen des Kindes wird man die Scheidung ja nicht ansehen.
    Im Hintergrund bricht Jubel aus, das Rennen scheint beendet, Wernher von Mühlbach dreht sich um undmeint: »Ich sollte zurück, so schwer das jetzt ist. Hochzeit meines Patenkindes Albert, Sie kennen ihn von unserem ersten Treffen im Konzert. Es heißt ja bei Patenkindern: Außer Spesen nix gewesen! Bei dem Jungen ist das aber anders: Ein feiner Kerl ist das, sozusagen die Lebensversicherung meines Namens. So hoch steht der bei mir im Kurs, da wird mein Sohn noch Augen machen!«

56
    D ANJELA D JURKOVIC IST NACH den letzten Räumarbeiten in ihrer alten Wohnung durch die Zimmer spaziert und nun erstmals völlig erfüllt von der Erkenntnis, dass eine Lebensphase zu Ende geht. In all dem Taumel der letzten Tage, all dem Schmerz und all dem Bedürfnis nach Zweisamkeit war für diese Empfindungen bisher einfach kein Platz gewesen.
    Ihre Schulwartwohnung hat sich im Laufe der Jahre von einem rein zweckdienlichen Unterschlupf zu einem wirklichen Zuhause gewandelt. Hier gab es nichts von der Verachtung und Diskriminierung zu spüren, mit der sie außerhalb dieser vier Wände zu kämpfen hatte. Nachdem sie illegal eingewandert war, wurde sie einst von ihrem Cousin an einem der Wirtshaustische beim Novak dem so anständigen, schon etwas älteren und alles andere als schönen Schulwart Hans Djurkovic vorgestellt. Und dann lag sie plötzlich vor ihr auf dem Tisch, die beste Lösung zum Erhalt des Bleiberechts, ausgehandelt von zwei Männern, deren Sprache sie nicht verstand. Die Übersetzungihres Cousins lautete: »Der Djurkovic nimmt dich zur Frau, unter der Voraussetzung, dass du für ihn den Haushalt schupfst, ihm in der Schule hilfst, für ihn sorgst, besonders wenn er alt ist, ihn nicht allein sterben lässt und bei ihm einziehst, natürlich in ein Extrazimmer – na, bin ich ein Verhandlungskaiser!«
    Unter einer Hochzeit hatte sich die Danjela zwar etwas anderes vorgestellt, aber besser zu viert, also mit zwei Trauzeugen auf dem Standesamt in einem kalten Amtszimmer auf Plastiksesseln, als allein dorthin zurück, wo sie herkam.
    All die Jahre war er gut zu ihr, der Hans Djurkovic, hat sich um sie gekümmert, sowohl finanziell als auch menschlich, nie schlecht behandelt, sie nie genötigt und von seiner Frau beinah alles bekommen, wovon ein Mensch nur träumen kann, sogar nach langem Leiden die warme Hand zu Hause am Sterbebett. »Wie haben wir das nur geschafft!«, hat er seine Danjela an seinem letzten Tag noch gefragt.
    »Ist ganz einfach. Am Anfang war Respekt, jetzt ist Liebe!«
    Lächelnd gestorben ist er, der Herr Djurkovic.
    »Lebst du wohl, warst du eine so anständige Mensch!«, flüstert die Danjela ihrer Wohnung zu. »Geh ich weg, aber lass ich dich nix allein, machst du dir keine Sorge, alter Junge. Und gibst du mir jetzt Segen, für was kommt da Neues.«
    Dann schließt sie die Tür. Sie wird die Wohnung zwar hin und wieder benutzen, eingezogen ist sie aber längst woanders. Und Abschied nehmen, wenn es Zeit ist zu gehen, kann man nicht früh genug.Im Spital ist es ruhig, so wie immer. Besucher sind auf einer psychiatrischen Abteilung in etwa so häufig anzutreffen wie Katholiken in Beichtstühlen. Vielleicht, weil dieser Blick auf den hinter Gittern im Dunkeln sitzenden Geist, der nur schemenhaft zu einem

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