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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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liebt ihre Wohnung am Rande der Stadt. Gut, ein Partner wäre eine willkommene Abwechslung. Nach dieser neuerlich unerfreulichen Erfahrung mit Männern wird sie ihr Anforderungsprofil allerdings deutlich in Richtung jenes rar gewordenen Typs ändern, der ganz den menschlichen und, wenn es sein muss, auch körperlichen Traummaßen ihres Halbbruders entspricht. Wie ein richtiger großer Bruder hat er sich die letzten Stunden benommen, dieser vor Kurzem noch fremde Willibald Adrian Metzger.
    Nach der unglaublichen Gedrücktheit der letzten Tage, die den ganzen Körper lahmgelegt hat, spürt sie endlich, wie ihre Kräfte zurückkehren. In ihrem Hausanzug, also der löchrigen Jogginghose, dem viel zu großen Leibchen, und mit einer Tafel Edelbitter zwischen den Fingern steht sie im Vorzimmer, dreht sich mit dem Rücken zum Spiegel, streckt ihr Gesäß heraus und erklärt, als wären ihre eigenen vier Wände das Sprachrohr zur Welt: »Was braucht eine Frau schon einen feschen, trainierten, wohlhabenden Mann? Einen Arsch hat sie ja schon. Und ein Arsch, aber hallo, wenn das nicht reicht!«
    Was ihr umgehend bewusst werden lässt: Fast eine Woche war sie schon nicht laufen. Sie muss hinaus. Der Herbst ist ihre Jahreszeit, endlich kann sie ihren Kopf wieder unter eine wärmende Haube stecken und die kleinen Wölkchen beobachten, die ihr Atem in die Luft malt. Zufrieden sieht sie zum Fenster hinaus. Ein dichter Nebelhat sich über die Hügel gelegt, der Tag neigt sich dem Ende zu. Sie liebt es, umhüllt von diesem weichen grauen Schleier dahinzulaufen, dem Rascheln der Blätter unter ihren Füßen zu lauschen, in sich hinein- und um sich herumzuhören. Alles klingt anders im Nebel, näher, intimer, dumpfer und heimeliger. Schnell ist sie umgezogen, dann geht es hinaus.
    Voll Vorfreude öffnet sie die große milchgläserne Haustür des Neubaus. Vor ihr steht ein Junge. Er betrachtet aufmerksam die Sprechanlage, wendet sich ihr zu, blickt ihr lange ins Gesicht. Es ist ihr unangenehm, sie weiß nicht, was sie sagen soll, ihr fehlt es einfach an Erfahrung mit solchen Menschen. Eine Mischung aus Mitleid und Unkenntnis lässt sie wegschauen. Zügig geht sie an ihm vorbei, nimmt ihren Schritt auf, die Forststraße entlang. Die Straßenlaternen, die in großen Abständen den Weg säumen, ragen mit matten Lichtkegeln aus der Dunkelheit, wie Blumen mit hängenden weißen Köpfen.
    Ohne Mühe findet sie ihren Rhythmus, gleichmäßig strömt der Atem durch die Lungen, ihr gehört die Dämmerung, ihr allein. In leichten Bögen schlängelt sich der Weg durch den mächtigen Eichen- und Buchenwald, hinauf in die Hügel. Still ist es, friedlich still.
    Dann hört sie Motorengeräusche.

    Nicht dass der Metzger nach den Neuigkeiten aus dem Mund Wernher von Mühlbachs ruhiger geworden wäre, ganz im Gegenteil. Hinzu kommt der bei seiner Rückkehr in der Werkstatt blinkende Anruf beantworter. Zwei Nachrichten wurden hinterlassen.
    Die erste ist von Oskar: »Du warst nicht da. Es ist dringend! Sehr dringend! Anrufen!« Es folgt eine Ziffernfolge.
    Die zweite Nachricht ist von Danjela: »Geht mir so auf Nerven, wirst du nehmen in Zukunft wieder gefälligst Handy. Also: Gibt gute und gibt schlechte Nachricht. Zuerst gute: Kommt langsam zurück aus Dunkelheit Trixi, hat heute geweint und geredet, nur mit sich, aber ist egal, Hauptsache, hat geredet. Jetzt schlechte: Will ich machen keine extra Probleme, aber hab ich kurz telefoniert mit Sophie heute Vormittag und haben wir vereinbart lange Telefonat für heute Abend. Hab ich natürlich angerufen am Abend, mehrmals, aber war nur dran Sprachbox. Normalerweise Sophie ruft zurück sofort. Außerdem hab ich noch gut in meine Ohr: ›Bin ich mobil erreichbar immer, außer ist nix gut Netz!‹ Na ja, ist Netz jetzt nix gut seit fast zwei Stunden. Weiß ich aber, will Sophie nutzen Wochenende für gemütlich Herumlungern in Wohnung und maximal für kurze Spaziergang, und weiß ich auch, Netz ist perfekt in ihre Wohnung. Ist komisch, oder?«
    Da ist sogar dem während des Abhörens noch in der Werkstatt stehenden Petar Wollnar eine Bemerkung ausgekommen: »Hinfahren!«
    Und recht hat er. Der Rückruf bei Oskar muss also warten, denn klarerweise geht Sophie Widhalm vor. Und weil sich der Metzger beim überschwänglichen Datenaustausch der beiden Damen vor zwei Wochen nicht einmal die Sozialversicherungsnummer seiner Schwester hätte merken können, sitzen sie wenig später einmal mehr zu dritt im

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