Der Metzger holt den Teufel
geheiratet oder nach deinem Vater auch nur einen weiteren Mann gehabt, zumindest habe ich davon nichts mitbekommen. Ich war ihr ganzer Lebensinhalt. Meine Großeltern sind früh gestorben, und kurz vor ihrem Tod hat sie mir im Hinblick auf die Tatsache, dass ich nun ganz allein sein würde, von dir erzählt!«
»Da hat sich mein Vater in dieser einzigen wunderbaren Sommernacht also wenigstens deiner Mutter gegenüber so viel Ehrlichkeit abringen können, neben seiner Berufung zum Liebhaber auch noch von seinem belanglosen Dasein als Ehemann und Vater eines minderjährigen Knaben zu berichten!«
Mit gesenktem Kopf steht der Metzger, ähnlich seiner Danjela, draußen auf der Straße, in seiner Werkstatt.
»Willibald, das tut mir jetzt leid. Ich wollte dich nicht …!«
»Verzeih, Sophie, aber wenn man gerade erfährt, dass der eigene Vater noch gewissenloser war, als man ohnedies schon wusste, ist es mit der Freude ein wenig schwierig. Außerdem kenn ich das nur zu gut: früh verstorbene Großeltern und eine Mutter, die nach ihrer Scheidung allein ein Kind großzuziehen hat und keinen anderen Mann mehr findet. Da haben wir also nicht nur den Vater gemeinsam!«
»Ich wusste das nicht! Ich wusste nicht, dass es dich schon zum Zeitpunkt meiner Zeugung gegeben hat, das hat mir meine Mutter nicht erzählt. Ich wusste also nicht, wie alt du bist oder wie es um die Ehe deiner Elterngestanden hat. Nur, für die Verfehlungen unseres Vaters kann ich nichts, ganz abgesehen davon wäre ich ohne diese Verfehlungen auch gar nicht am Leben – ein schrecklicher Gedanke. Irgendwie dachte ich, mir steht ein kleiner Bruder gegenüber, und jetzt bin ich die kleine Schwester! Völlig unabhängig, wann und unter welchen Umständen wir aus welchen Menschen hervorgegangen sind, für mich zählt nur die wunderbare Tatsache, dass es dich gibt. Wir, Willibald. Du und ich, wir sind nicht allein!«
Der Metzger ist, wie sein Vater, nicht gerade der überschwängliche Typ, ganz im Gegensatz zu seiner Halbschwester. Das kann er sich lebhaft vorstellen, dass sich sein alles andere als beständiger alter Herr mit einer lebhaften, bildhübschen und vor Emotionen nur so sprühenden jungen Dame, wie sie die Mutter von Sophie Widhalm zweifelsohne gewesen sein muss, einer lauen Sommernacht hingegeben hat. Dafür kann das daraus hervorgegangene Leben wirklich nichts.
Und während er so vor sich hin grübelt, kommt schließlich auch er in den Genuss sprühender Emotionen.
Sophie Widhalm sucht Nähe in der innigen Umarmung ihres Anverwandten, und Danjela Djurkovic sucht endgültig das Weite.
14
E S KOMMT VOR , dass der Piepston eines Anruf beantworters oder einer Mailbox als Startschuss für einen derart ungestümen verbalen Langstreckenlauf herhalten muss, da kann man beim Abhören der Nachricht in aller Ruhe die verdreckten Außenfenster putzen oder den Parkettboden abschleifen.
Der Metzger hingegen kommt in unwichtigen Fällen mit einem »Ich war’s!«, in wichtigen mit einem »Ich war’s, bitte um Rückruf!« aus. Wozu Maschinen besprechen, wenn man mit realen Personen reden kann. So viele Nachrichten kann er seiner Danjela allerdings heute gar nicht mehr hinterlassen, dass die auch nur ansatzweise an einen Rückruf dächte.
Im Grunde verstehen sich die beiden ja blind. Wenn aber ihr an sich berührungsscheuer Willibald mit Kundinnen Händchen hält und treuherzig kuschelt, die wie geschaffen sind, um sich als weibliche Hauptrolle in einem der unzähligen Werbeblöcke für Epiliergeräte, Enthaarungscremes, Binden, Tampons, Deosticks, Diätschokoladen, Margarine oder Weichspüler über den Bildschirm zu räkeln, dann ist es allerdings vorbei mit diesem Verständnis. Geschäftssinn ja, sich verkaufen nein, alles, was recht ist.
Und recht ist dem Metzger dieser Überfall keineswegs, vor allem mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen. Wie es nämlich nach Austausch der privaten Kontakte zu einer weiteren Umarmung von weiblicher Seite kommt, diesmal zwecks Verabschiedung, öffnet es völlig überraschend die Tür, dieses herrliche Funkeln Lebensglück.In Gestalt Wernher von Mühlbachs und zweier kräftiger Herren strahlt es die Treppe herunter, wobei das Leuchten anfangs nur von diesem wunderschönen, sehr ungewöhnlichen französischen Louis-seize-Sekretär ausgeht: Makassar-Eben- und Rosenholz auf Eiche, mit schwarzer Marmorplatte, rotem Leder und gold geprägtem Rand. Ein Prunkstück.
»Komm ich wohl gerade zu einem ungünstigen
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