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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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mehr Herr zu werden schien und dann auch nicht mehr Herr werden wollte. Warum sollte er sich nicht einmal gehen lassen. Er, der sein ganzes Leben ein Gefangener war, zuerst in seinem Körper und nun in den selbst auferlegten Vorgaben.
    Er wusste, sie würde nach ihrem Auftritt bald aufbrechen. Und es geschah genau wie vorhergesehen. Streng gehorchte sie ihren Prinzipien. Unauffällig war er ihr zum Wagen gefolgt.
    Er wusste, sie würde sich zumindest auf ein Gespräch einlassen. Er wusste aber nichts von ihrer versteckten Neigung, von ihrer Hingebungsfähigkeit einer Frau gegenüber.
    Auf all die Komplimente und Umschmeichelungen reagierte sie mit einer ihm unbekannten Bereitwilligkeit und derart eindeutigen Gesten, dass ihm aufgrund des Gedankens an das, was nun kommen könnte, für einige Momente die Kontrolle entglitt. Sie übernahm das Kommando, wollte nicht zu ihm in den Wagen steigen: »Gleichhier im Wald lass es uns machen. Ich zeig dir, wie gut ich spielen kann!«
    Er willigte ein. Still ist er ihr tief ins Unterholz hinein gefolgt, dann blieb sie stehen.
    »Komm, fass mich an, tu es endlich!«
    Er hat ihr gehorcht, sie von hinten gepackt, ihr Kleid abgestreift, sie entblößt, heftig war sein Atem.
    »Zieh dich aus, und mach es leise, ganz leise und zärtlich, ich mag es still!« Sie war es gewohnt, den Ton anzugeben.
    Niemals hätte er sich entkleidet, nicht nur weil er jemand anderer war, als er vorgab zu sein, sondern weil es ihm um etwas völlig anderes ging. So tief, sich an ihr zu vergehen, wäre er niemals gesunken, völlig ausgeschlossen. Es war nicht der Gedanke an diesen lächerlichen Akt, der ihm Lust bereitete. Es war dieses plötzliche, unbändige Verlangen zu sehen, wie ihre Begierde schlagartig in Verzweif lung umschlagen würde. Wie ihr plötzlich der Schrecken ins Gesicht geschrieben stehen und sich die Vorzeichen ändern würden.
    Langsam umfasste er ihren Hals: »Du magst es also still!«
    »Ja, ganz still!«
    Fester wurde sein Griff, intensiver seine Erregung: »Still genug!«
    »Lass mich los!« Sie begann zu ächzen, und endlich war sie da, die blanke Angst. »Was bist du für ein Schwein, was …!«
    Er konnte nicht abbrechen, konnte sich nicht zügeln, wollte es zu Ende bringen.
    Dann kam der Schmerz. Der Lauf ihrer Pistole war direkt auf sein Gesicht gerichtet, seine Hand schnellte hoch,dann fiel der Schuss, streifte seine Schulter. Er schlug sie zu Boden, sie schrie, er rang ihr die Waffe ab, presste sein Messer an ihre Kehle, zog sie hoch, ganz zu sich heran: »Wolltest du mir nicht zeigen, wie gut du spielen kannst? Dann spiel!«
    Sie spielte um ihr Leben, wie in Trance, nackt, erbärmlich zitternd, in Hockstellung, ohne Chance, sich dieses Leben tatsächlich zurückzuholen.
    Er sah ihren wogenden Körper, ihre geschlossenen Augen, ihre Tränen. Präzise und tief war sein Schnitt, kein Würgen, nur das warme Blut und die Stille des Waldes.
    Ein ungeahntes Gefühl der Genugtuung durchströmte seinen Körper, bis schließlich der Verstand einsetzte. Er musste weg, alles wie geplant erledigen und arrangieren. Der Wald wird sein Geheimnis hüten, die sich selbst überlassene Natur würde dafür sorgen, dass niemand Spuren fand.
    Diese Annahme war falsch.

    Seine Schulter schmerzt. Hinter dem durchsichtigen Vorhang steht er am Fenster und blickt auf die Straße. Er darf sich keinen Fehler mehr erlauben, nur ist das schwer, Fehler entpuppen sich zumeist erst im Nachhinein als solche.
    Und er muss dafür sorgen, dass die Geschichte bald ein Ende nimmt, nicht weil er entdeckt werden könnte, keiner wird ihn jemals finden, sondern aus Angst vor sich selbst: Maßlosigkeit ist ein Nährboden des Versagens.
    Zeit, die nächste Weiche zu stellen.

27
    E S IST ZWAR NICHT VORGESEHEN , dass ein Chesterfieldsofa einem obdachlosen Polizisten als Schlafplatz dient, dem Metzger fehlt die Belegung nun aber trotzdem. Bereits die zweite Nacht in Folge zeigt Eduard Pospischill aus dienstlichen Gründen seinem Notquartier und somit auch seinem Quartiergeber die kalte Schulter. Im Großen und Ganzen hat er nämlich recht gut funktioniert, dieser Testlauf in puncto Zusammenleben mit einer zweiten Person. Spurlos geht es nämlich nicht an ihm vorbei, dieses eben erst absolvierte kurze Durchrütteln seiner eigenen Beziehung und dieses Beben, welches immer noch das Haus Pospischill in Trümmer legt.
    Dass dem Metzger in seiner Einsamkeit all diese Gedanken kommen, während er auf dem leeren Chesterfieldsofa

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