Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
Vom Netzwerk:
Arbeitshaltung und blickt grimmig über das Lauf band: »Was passt Ihnen denn nicht, was, bitte schön, ist zu viel?«
    Seit beim Kreisler ums Eck endgültig der Rollbalken ins Schloss gefallen ist, kommt er gelegentlich hierher, der Metzger, und holt sich aus diesem Lebensmittellabyrinth seine ungekühlte Flasche Mineralwasser, sein anonymes Semmerl mit vor seinen Augen frisch aufgeschnittener Wurst und seine grußlose Zahlungsaufforderung.
    »Im Grunde passt das alles ganz wunderbar: Sie haben mir nur zu viel herausgegeben!«
    Die Neue an der Kassa, die gerade die Vertretung der Neuen vom letzten Monat vertritt, sinkt in ihre Arbeitsposition zurück, meint: »Aha!«, verzichtet auf ein Danke und nimmt sich den Schein. Nein, dieser Schein trügt nicht, denkt sich der Metzger, dieses Fräulein will offenbar nur eines: baldigst vertreten werden. Das sollte klappen.
    An diesem von der Todesmeldung der Cellistin dominierten Mittwoch ist der Metzger abermals ins Palais Mühlbach unterwegs, um zwei weitere Möbelstücke abzuholen: ein zum Stil des Schreibtisches passendes Sitzmöbel, eine sogenannte Bergere, und, ebenfalls dazu passend, einen wunderbaren Louis-seize-Kleiderschrank aus Eichenholz mit profilgerahmter Tür, deren als Reliefschnitzerei eingearbeiteter und von Blütenranken umgebener Faun ein wenig an ein kleines Teufelchen erinnert.
    Es ist kurz nach zehn Uhr vormittags, und nach all dem, was es heute bereits zu erledigen gab, ist ein Gabelfrühstück wirklich zulässig. Während eine Hand das Lenkrad bedient und die andere am Gangschalter liegt, lässt sich so ein Wurstsemmerl theoretisch ja auch hervorragend verspeisen. Petar Wollnar fährt schon mit zwei leeren Händen äußerst kommod, mit der Jause zwischen den kräftigen Hausmeisterfingern könnte man sich jedoch problemlos freihändig auf der Ladefläche des Pritschenwagens stehend ein gut eingeschenktes Seidel Bier genehmigen. So dauert die Fahrt also entsprechend lange, denn eines hat den Wollnar die Not gelehrt: gut kauen. Das Verstärken der Geschmacksempfindung mittels durch die Mundhöhle strömender Luft ist zwar in Mitteleuropa nicht üblich, der polnische Hausmeister schmatzt dennoch genüsslich vor sich hin. Um eine derartige Geräuschkulissein Verbindung mit einer gemächlichen Fahrweise und einem deftigen Aroma unversehrt zu ertragen, braucht man schon Kenntnis über meditative Beruhigungstechniken. Und weil der Metzger über diese nicht verfügt, kommt ihm das Überholmanöver eines Sportwagens sehr gelegen.
    Mit Höllengeschwindigkeit schneidet der schwarze Zweisitzer den Pritschenwagen und nimmt, ohne zu blinken, die Ausfahrt. Genau der richtige Fluchtweg also: »Vorschlag«, meint der Metzger geduldig, »du fährst da jetzt auf den Baumarkt-Parkplatz, isst in Ruhe fertig, und ich geh schnell auf die Toilette!«
    Die wahre Ursache dieser spontanen Idee ist nicht das Hinterteil des Willibald, sondern das des Sportwagens. Wenn es nämlich einen sinnvollen Grund gibt, um für teures Geld seine Kreativität walten und sich ein Wunschkennzeichen stanzen zu lassen, dann den, dass sich bei anderen Fahrern so ein MAUSI1, BABY1, KEBAB5 oder AMEN1 erheblich nachhaltiger auf die Netzhaut brennt als eine willkürliche Zahlenkombination. Und dieses HZ440 mit durchschimmernd auf der Heckscheibe angebrachtem Violinschlüssel, das da gerade vorbeigeprescht und auf den Kundenparkplatz abgefahren ist, hat er am Schotterweg des Palais Mühlbach schon einmal gesehen, der Willibald.
    Ein elegant gekleideter, braun gebrannter Mann, der dem Metzger am vergangenen Wochenende in trauter Runde als Rupert von Leugendorf wortgewaltig den Appetit verdorben hat, entsteigt eilig dem Sportwagen, während der Wollnar noch immer die geeignete Parklücke sucht. Ist ja auch wirklich ein Problem, denn wo bitte soll man sich hinstellen, wenn fast alles leer ist.
    Rupert von Leugendorf also. Was treibt einen Herrn dieses Kalibers in einen Baumarkt, der hat doch eigenhändig noch nie im Leben eine Glühbirne wechseln müssen!, denkt der Metzger alles andere als vorurteilsfrei.
    Es dauert etwas, dann tritt auch der Restaurator durch die Glasschiebetür und steht vor turmhohen Regalketten in einer monströsen Halle. Sein Vorhaben einer prophylaktischen Blasenentleerung, die ja nie schaden kann, scheitert am gesperrten Kunden-WC. Mit dem längst vergilbten Auf kleber »kaputt« wird den Heimwerkern unmissverständlich das Motto dieses Hauses nahegelegt: »Repariert’s euch euern

Weitere Kostenlose Bücher