Der Metzger holt den Teufel
umgehend das von seiner Danjela angeschnittene Thema: »Reden wir bitte von etwas anderem und nicht dem Besuch dieser Furie in der Werkstatt. Weißt du, seit unserer kleinen Betriebsstörung wegen Sophie und seit ich mit diesem unglücklichen Untermieter in meiner Wohnung herumhocken hab müssen, ist mir etwas klar geworden.«
Und er ist nun nicht der Einzige, dem plötzlich sehr warm geworden ist, der Willibald. Die Hände seiner Danjela, die bis jetzt unberührt vor ihm am Tisch gelegen haben, fühlen sich feucht an, weder reagieren sie auf seine sanfte Berührung noch auf seinen dann schon resoluteren Griff. Kann es sein, dass ihm diese Dame wirklich alles zutraut?
»Sag, kann es sein, dass du mir alles zutraust?«
Sie weiß ohnedies schon nicht, wie ihr gerade geschieht, die Danjela, aber diese Frage gibt ihr nun den Rest: »Willst du ehrliche Antwort, Willibald, weil trau ich Mannsbildern wirklich alles zu. Kenn ich Geschichten genug, wo Märchenprinz führt gutgläubige Aschenputtel aus auf allerbeste Galadiner, nur weil will sagen, dass er nix wird vergessen diese eine wunderschöne Nacht. Und weil eben ist so unvergesslich, soll bitte auch bleiben nur eine. Sag ich dir, verwandelt sich öfter Prinz nachKuss zurück in Frosch als umgekehrt. Also, willst du nur romantische Tagesausklang, oder willst nur du ausklingen lassen was romantisch. Weil weiß ich wirklich nix, was ist klar geworden meine Willibald?«
Der Metzger ist entsetzt. Sie will es also nicht anders, beschließt er spontan, sie will kein romantisches, herzzerreißendes Geschwätz, sondern eine klare Ansage. Mit ernstem Blick löst er den festen Griff, nimmt sich das am freien Sessel ihres Vierertischs liegende karierte Schaumstoffsitzkissen und wickelt es unter dem erstaunten Blick einiger Gäste so in die vor sich liegende weiße Stoffserviette, dass beinah eine Kugel entsteht.
»Was ist das?«
»Das ist peinliche Aktion. Hörst du bitte auf, schauen schon Leute!«
»Weißt du, was mir klar geworden ist: Genauso wird dein Hund Edgar eines Tages aussehen, rund, fett wie ein Ballon, reif für den Suppentopf, wenn er in Zukunft nicht öfter als nur am Wochenende ein paar Stiegen zu bewältigen hat!«
Jetzt kommt Bewegung ins Gesicht der Djurkovic.
Richtig in Fahrt gekommen, setzt der Metzger fort: »Ob der Hund allein auf ein Herrchen aufzupassen imstande ist, das wage ich aber zu bezweifeln. Und weil ich es all den unwiderstehlichen Damen, die so gern in meiner Wohnung ein und aus spazieren, zukünftig nicht allzu leicht machen will, hab ich mir etwas überlegt.«
Mit einer Seelenruhe greift der Metzger in die Innentasche seines Sakkos und legt ein längliches Paket zwischen die Hände seiner Danjela, während sich das losgelassene Sitzpolster wieder aus seiner Gefangenschaft befreit und in voller Größe auf dem Tisch ausbreitet.
»Na, mach schon auf, der erschlankte Edgar sieht dir zu!«
Und dann wird es doch noch romantisch, wenn auch nur für die beiden und nicht für den Rest der Gäste, denn wie gesagt, wenn die Djurkovic so richtig losheult, klingt das nach chronischer Rhinitis.
»Wi-hi-hiillibald, du-hu bi-hidt ver-rü-hü-hückt!«
Vor ihr liegt ein Türschild mit den eingravierten Schriftzügen:
D. Djurkovic & W. A. Metzger
Ibrahim Leitzelsdorfer sieht sie sofort, die Veränderung im Gesicht seiner Fahrgäste. Zum Reden kommt er aber nicht, denn der Metzger ist schneller: »Wie war das mit den Geschenken, die man annehmen muss? Keine Sorge: ist Kalb und nicht Schwein!«
Ibrahim Leitzelsdorfer schaut drein, als wäre ihm gerade hundert Kilometer nördlich von Hamadan in den Ali-Sadr-Höhlen ein zweiter Leitzelsdorfer begegnet. Er verbeugt sich ehrfürchtig, geht zum Auto, hat am Retourweg einen Fotoapparat in der Hand und erklärt: »Das muss man für die Ewigkeit festhalten!«
Lächelnd stellt sich Ibrahim Leitzelsdorfer neben das verliebte Pärchen, hält geschickt die Kamera von sich weg, gibt das Kommando: »Kuckuck!« und drückt ab.
»Jetzt sind nicht nur wir Zeugen der Geschichte!«, erklärt er sichtlich zufrieden und weiß nicht, welche Lawine er damit im Hirn des Restaurators lostritt. Oft braucht der Geist, um in Bewegung zu kommen, eben einen Rempler.
Wie kann ich nur so blöd sein!, geht es dem Metzger durch den Kopf, und er ärgert sich, denn morgen ist Sonntag, da haben Gärtnereien geschlossen. Wenigstens kennt er den vollen Namen: Oskar Marek.
Was er allerdings nicht kennt, ist der Lauf des Schicksals,
Weitere Kostenlose Bücher