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Der Metzger holt den Teufel

Der Metzger holt den Teufel

Titel: Der Metzger holt den Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Raab
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Leberkässemmerl.

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    J ETZT MUSS ER ES GESCHICKT anstellen.
    Viktor Hubertus ist kein Unbekannter, Viktor Hubertus ist sein wichtigstes Opfer, und Viktor Hubertus wird observiert. Sie rücken also näher, doch so nahe an ihn herankommen, um ihn zu gefährden, könnten sie gar nicht. Keine Sekunde mehr an Lebenszeit gönnt er diesem Selbstdarsteller Hubertus.
    Das heftige Pulsieren seines Herzschlags erfüllt seinen Kopf. Heute erhält alles noch einen Deut mehr an Bedeutung, noch einen Funken mehr an Spannung.
    Suchend bewegen sich seine Augen durch die Nacht. Das kann er, ein Ziel erfassen, es nicht mehr aus dem Blick verlieren und gleichzeitig dabei sein Umfeld überwachen.
    Dann sieht er ihn. Er nimmt immer denselben Weg, folgt einem ständigen Ritual. Nach dem Konzert zu diesem Würstelstand, mit einer Leberkässemmel weiter durch die Stadt, entlang der Fußgängerzone weiter zum Stadtkanal, dort bleibt er stets an derselben Stelle stehen, isst zu Ende, entsorgt die Verpackung mit einer ausladenden Bewegung ins Wasser, geht das Flussufer entlang und schließlich die Stufen hinauf zu seiner Wohnadresse.
    Die Semmel lässt er ihn noch zu Ende essen. Dann ist es so weit. Viktor Hubertus bleibt stehen, wendet sich dem Fluss zu und hebt seinen Arm. Das ist sein Moment. Heute muss er niemanden in ein Gespräch verwickeln, eine heuchlerische Bewunderung aussprechen und auf den richtigen, vertrauten Moment warten, heute musste er sich nicht einmal verkleiden, denn heute muss es schnell gehen. Flink greift er von hinten unter der Achsel durch und zieht den Oberkörper an sich heran. Während Viktor Hubertus seinen Arm herunterreißt, führt er das Messer über die Schulter zum Hals. Es ist gar nicht viel zu tun, der sich hektisch wendende Kopf erledigt die Sache ganz von allein.
    Mit einem wird er fertig. Mühelos.
    Jetzt wird sich, früher als geplant, langsam die Schlinge zusammenziehen, denn genau das ist einer jener magischen Momente, die einem das Leben infolge unbändigen Fleißes schenkt. Heute ist ein Glückstag, wie von selbst bietet sich die Gelegenheit, den nächsten geplanten Schrittvorzuziehen und alles in einem Aufwasch zu erledigen. Gleich sind fast alle Köder ausgelegt, und eines weiß er mit Sicherheit: Sie werden sie fressen, diese Köder, mit unbändiger Gier, blind vor Zorn.

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    A LS MITTEN IN DER N ACHT das Telefon läutet, ist das Chesterfieldsofa leer und Eduard Pospischill seit einem Tag ausgezogen. Möbel sprechen ihre eigene Sprache, das, was sie zu erzählen haben, ist ähnlich der menschlichen Haut tief in ihrem Äußeren eingegraben. Es ist eine sanfte, nie da gewesene Mulde, die auf der Sitzfläche des Sofas dazugekommen ist, so als würde es durchs Wohnzimmer schreien wollen: »Es ist kalt an dieser Stelle, hier fehlt etwas!«
    Und frostig ist dem Metzger jetzt auch, späte Anrufe verheißen niemals Gutes: »Hier Irene Moritz. Herr Metzger, verzeihen Sie bitte die Störung, aber wir haben wirklich ein großes Problem: Ist Kommissar Pospischill bei Ihnen?«
    Halb drei zeigt sein Wecker, wie er da mit rasendem Puls im Vorzimmer steht: »Nein, der Kommissar ist seit gestern wieder zu Hause!«
    »Zu Hause ist er aber nicht!«
    Zuerst zögert Irene Moritz, dann bemerkt sie, dass ihr die Verschwiegenheit nicht viel weiterhilft. Sie muss es erzählen, außerdem ist der Restaurator in gewisser Weise ja Teil der Truppe.
    »Wir haben vorhin, nach einem Konzertabend, Viktor Hubertus observiert. Und … und …« Irene Moritz gerät ins Stocken: »Wir sind ihm zum Kanal hinunter gefolgt, Eduard Pospischill am Fußweg direkt neben dem Wasser, ich oben am Gehsteig. Von dort hatte ich keinen Sichtkontakt mehr. Viktor Hubertus und der Kommissar sind dann dort, wo der Fußweg wieder in die Straße mündet, nicht mehr aufgetaucht. Da bin ich hinunter und … und …«
    Ihre Stimme wird höher, beschleunigt: »…  und da hab ich ihn liegen gesehen. Viktor Hubertus! Mit durchgeschnittener Kehle, seinen Geigenkasten auf der Brust. Eduard Pospischill war nicht mehr dort! Wenn er die Verfolgung des Mörders aufgenommen hätte, wären wir informiert worden. Niemals würde er mit uns im Rücken etwas auf eigene Faust unternehmen, niemals. Er … er …«
    Schweigen. Auch der Metzger bringt kein Wort heraus.
    Sehr gedämpft setzt Irene Moritz schließlich fort: »Wir müssen davon ausgehen, dass ihm etwas passiert ist. Es ist so schrecklich! Ich melde mich, wenn ich mehr weiß.« Dann beendet sie das

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