Der Metzger holt den Teufel
geparkten Kolonne ja keine Konflikte herauf beschwören.
Der Insasse belohnt die Auswahl.
Perser, schätzt der Metzger. Der Lenker des Wagens könnte selbst im Rollkragenpullover jedes machoid bis zur Unappetitlichkeit aufgeknöpfte Hemd in puncto Schaukampf der Potenz locker ausstechen. Ihm wächst seine Männlichkeit büschelweise den Hals herauf, aus den Nasenlöchern und Ohren heraus, über die Augen hinweg und den Nacken hinunter. Und obwohl er sich an diesem Morgen gewiss gründlich rasiert hat, steht ihm neben einer alles einvernehmenden Freundlichkeit auch noch ein hierzulande gängiger Dreitagebart im Gesicht.
»Willkommen in Ibrahims Personentransportservice!«, begrüßt er die Kunden. »Mein Name ist Ibrahim Leitzelsdorfer, wo geht die Reise hin?«
Die beinah schwarzen Augen wirken vertrauenerweckend, ebenso wie die brummige, ein wunderschönes Schriftdeutsch artikulierende Stimme.
Das ihm genannte Ziel kommentiert er mit: »Wunderschön! Leider regnet es, aber vielleicht reißt es ja auf! Führen Sie also Ihre Frau aus. Hervorragende Idee, das sollte ich auch wieder einmal machen!«
»Verheiratet also?«, fragt der Metzger.
»Fast so oft wie Ibrahim kommt im Iran Leitzelsdorfer vor!«, erwidert der Taxifahrer ernst, blickt in den Rückspiegel, sieht etwas betretene Gesichter und prustet los.
»Herrlich, Ihre Gesichter, einfach herrlich! Das war ein Scherz. Vor meiner Hochzeit mit meiner Frau Elvira war mein Name Ibrahim Hussein. Hierzulande ist es aber natürlich viel einfacher, man heißt Leitzelsdorfer, glauben Sie mir. Wenn man so aussieht wie ich, kann man heutzutage, ohne skeptische Blicke zu ernten, weder sein Auto neben einer Fußgängerzone einparken noch mit einem Rucksack durch die Gegend marschieren, außer natürlich im Hochgebirge. Und dann auch noch Hussein heißen! Wissen Sie, ich kann das verstehen. Ich fürchte mich ja selber vor diesen Extremisten, die den Islam besudeln und die Welt mit Blut überziehen. Außerdem gehöre ich zu meiner Frau und ihren beiden unehelichen Kindern, na, nehm ich auch ihren Namen an, oder? Entweder wir sind eine Familie oder nicht!«
Der Kopf der Djurkovic fällt auf die Schulter ihres Sitznachbarn. »Schön!«, flüstert sie.
»Ja, schön!«, antwortet Herr Leitzelsdorfer, »und Sie, verheiratet, Kinder?« Nachdem die Antwort auf sich warten lässt, setzt er fort: »Also nein. Wer weiß – ich bring Siejetzt erst einmal ans gewünschte Ziel! Da wohnt man in so einer schönen Stadt und ist viel zu selten dort oben!«
Während der etwa zwanzigminütigen Fahrt erhalten die Danjela und der Willibald eine dermaßen gelungene Einführung in die friedvolle Weltreligion des Islam, dass sich die Djurkovic am Zielort die Bemerkung nicht verkneifen kann: »Fährt Papst mit Ibrahims Personentransportservice von hier nach Rom, braucht er nach Aussteigen rote Teppich nur mehr für Beten nach Mekka!«
Zum Beten ist der Danjela nach Verlassen des Taxis auch, denn der Regen hat aufgehört und ein Stück Himmel freigegeben: »Himmelherrgott, ist so schön hier!«
Dann stehen sie zu dritt an der Brüstung, den Blick auf das Lichtermeer der Stadt gerichtet. In der Mitte die Dame, links und rechts die beiden Herren.
»Wie lange bleiben Sie?«, fragt Herr Leitzelsdorfer.
»Wir sind hier nicht auf Urlaub, sondern wohnen da unten!«
Jeder für sich!, ergänzt sie gedanklich, die Djurkovic, und schon ist es nicht mehr ganz so schön.
»Nein, ich meinte: Wie lange wollen Sie hier heroben bleiben?«
»Wir gehen dort oben eine Kleinigkeit essen, lüften unsere Seelen aus, und dann rufen wir wieder ein Taxi!«
»Sie brauchen keines zu rufen, ich warte. Das ist ein Geschenk Allahs, dieser Moment. Und Geschenke, die der Himmel gibt, muss man annehmen! Wenn Sie zurückkommen, bin ich noch hier, genießen Sie den Abend!«
Und weil der Himmel offenbar mitspielt, befinden sich die vom Metzger reservierten Plätze des gutbürgerlichen Restaurants direkt neben dem großen Panoramafenster. Der frische Schilchersturm auf der Getränkekarte unddie in Butterschmalz herausgebackenen Kalbsschnitzel mit Kartoffel- und wunderbar knoblauchlastigem Rahmgurkensalat tun das Übrige und beschenken die beiden Schweigenden mit ein wenig Wohlbehagen.
Dreimal bestellt hat er die Hauptmahlzeit, der Metzger, mit der Weisung: »Einmal zum Mitnehmen, aber das bringen S’ uns erst beim Zahlen!«
Natürlich will sich der Willibald jetzt nicht den Abend verderben lassen und unterbindet
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