Der Metzger kommt ins Paradies: Kriminalroman (German Edition)
herunter von seiner Leiter.
C: Zwei Spieler derselben Mannschaft entscheiden sich gleichzeitig zur Ballannahme.
Dermaßen laut ist der über den Strand erschallende Schmerzensschrei, da vermutet der besorgte Urlaubsgast zu Recht das Auftauchen eines in diesen Regionen an sich gar nicht vorkommenden fleischfressenden Meeresbewohners. Doch vergeblich. Nichts irritiert den gemächlichen Wellengang der Adria, hier verschluckt kein großer Weißer ein Bein, sondern er bricht es, und zwar innerhalb der eigenen Mannschaft. An die zwei Meter hoch muss er sein, der hellhäutige, ölig-stämmige Ruderleibchenträger mit knapper Badehose, kräftigem Oberarm samt lächelnder Lolita-Tätowierung und Cowboysonnenhut. Ein Koloss von einem Mann, gewiss kein Rollerfahrer und Rotweintrinker, eher Harley Davidson und Gerstensaft.
Begonnen hat alles ja völlig unauffällig: Rudi Szepansky war wie auch die letzten Tage zuvor aufgrund des Wellengangs mit Flossen, Taucherbrille und Schnorchel schwimmen gegangen, und zwar so richtig. Freistil mit gekonnter Technik, allerdings ohne den Kopf heben zu müssen, bis hinaus zur Boje.
Gustav Eichner hingegen war aufgestanden, hatte nach der Todesmeldung den Ball und den niedergeschlagenen Noah gepackt, beide zum Beachvolleyballplatz gebracht und begonnen, dem Jungen zuzuspielen. Ist ja auch ein guter Ansatz, durch Bewegung des Leibes die Seele durchzuputzen. Und sichtlich gutgetan hat es dem Burschen, wie er da in Erwartung der Ballannahme beide Arme emporgestreckt den gelösten Blick zum Himmel richtete, als würde er seinem toten Kollegen Pepe einen liebevollen Gruß zuschicken. Und weil das gleich so gut geklappt hat, mit dem oberen Zuspiel, wollte der großgewachsene Gustav Eichner mehr.
Lange dauerte es nicht, und eine kleine, gemischtgeschlechtliche Gruppe im Alter zwischen 16 und 56 hatte sich gefunden. Vier auf der einen, vier auf der anderen Seite.
Links: Noah, dann ein schlaksiges, ein speckig-, aber sportliches Mädel und schließlich der ölige, tätowierte Cowboy.
Rechts und somit gegenüber: Gustav Eichner, dann ein drahtiger Bursche, ein deutlich im oberen Bereich des Body-Mass-Indexes wandelnder Bierbauchträger mit Goldkette samt »Love«-Anhänger und schließlich ein wohlgeformtes, von einem stofftechnisch maximal noch als Augenbinde verwendbaren Bikiniunter- und als Schlafmaske verwendbaren Oberteil verhülltes Fräulein.
Zwei Mannschaften also, Kampfmannschaften, wie es im Ballsport so schön heißt. In diesem Fall allerdings ein Kampf jeweils mit sich selbst und den eigenen Fähigkeiten. Als Aufnahmekriterium ins jeweilige Team zählte hier ja auch nicht das Leistungsvermögen, sondern allein die Anwesenheit der Teilnehmer. Zuschauer gab es bald deutlich mehr, denn immerhin beherbergten die zwei gegeneinander antretenden Mannschaften drei bewegungshungrige Damen, und was bitte gibt es für das Männerherz Feineres, als den beim Beachvolleyball in Bikinis gepferchten knackigen Sportlerinnen hochoffiziell auf das Hinterteil, die hüpfende Oberweite, die sich im Flug aufgrätschenden Beine gaffen zu können.
Der anfänglichen Spielfreude allerdings fehlte es recht bald an der dazu passenden Mimik, denn etwas Anstrengenderes, als im Sand einer aufgeblasenen Wuchtel hinterherzuhecheln, kann sich der Metzger kaum vorstellen. Das Spielfeld liegt zwar ein Stück von den Liegestuhlreihen entfernt, trotzdem war ihm ein ausreichendes Blickfeld gegeben, um bereits nach den ersten Spielminuten langsam, aber sicher ein paar Gedanken an die mehrsprachige Allgemeinmedizinerin Frau Dr. Aurelia Cavalli und ihr Erstversorgungswissen in puncto Hitzschlag oder Herzinfarkt zu verschwenden. Ohne Chance auf Balleroberung wurde in den Sand gehechtet, gesprungen, gesprintet und gerade dort, wo der Atem ohnedies schon denkbar kurz ging, geflucht, da hilft auch der Duden nichts mehr: »Lauf, du Wappler!«, »Spü eam auf!«, »Net so hoch, Topfenneger!«, »Zu mir, oder bist schasaugert!«, »Net zu der Trutschen, oder wüst das budan!«.
Zwei Herren also, Gustav Eichner und der Goldkettchenträger, sprachen dieselbe Sprache. Als launig konnte die Spielatmosphäre innerhalb Gustav Eichners Mannschaft wahrlich nicht bezeichnet werden. Immerhin entspricht die einzige Dame dieser Viererbelegschaft 1:1 dem Beuteschema des untersetzten älteren Herrn, da funkelt er nur so, der güldene »Love«-Anhänger, und heult er auf, der Jagdinstinkt, der Scheidungstrieb, der Geltungsdrang. Gustav Eichners
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